Als er seine Augen vorsichtig öffnete sah er in das besorgte Gesicht seines Captains. Blair blinzelte einige Male aber er täuschte sich nicht. Er glaubte zu erkennen, dass Simon tatsächlich etwas errötete Augen hatte.
"Hallo", begrüßte er ihn flüsternd. Währenddessen überlegte er, weshalb Simon sich solche Sorgen machen konnte. Doch nicht etwa seines wegen? Nein, die Mine des Captains blieb auch nach seinem Erwachen finster.
"Hallo Sandburg. Wir haben uns ganz schön Sorgen um Sie gemacht." Simon lächelte leicht, aber das ließ ihn auch nicht wirklich glücklicher aussehen...
Mit einem Mal wusste Blair, was los war. Sein Kopf schnellte zum leeren Stuhl neben ihm. Dort hatte sonst immer Jim gesessen, wenn er in einem Krankenbett lag. Die abrupte Bewegung bescherten ihm Kopfschmerzen, aber er unterdrückte sie. Sein Drang, bei seinem Sentinel zu sein, war größer. Er nahm langsam die Decke beiseite und war im Begriff aufzustehen, als eine starke Hand ihn sanft aber bestimmt wieder ins Bett drückte.
"Sie werden nirgendwo hingehen, dafür sorge ich schon. Sie waren über dreißig Stunden im Koma und erlitten gerade sogar für einige Sekunden einen Herzstillstand. Ich habe der Ärztin versprochen, dass Sie Ihr Bett in den nächsten zwei Tagen nicht verlassen werden." Simon sagte es in dem Ton, den er immer auflegte, wenn er keine Widerworte duldete. Es war beschlossene Sache und ließ sich nicht weiter ausdiskutieren.
Blair starrte ihn mit groß aufgerissenen Augen an. "Aber Simon! Jim... Er braucht mich! Ich meine, wenn ich nicht zu ihm gehe, dann..." Er verstummte. Er wollte es nicht aussprechen, am besten noch nicht einmal darüber nachdenken...
Simon hob eine mahnende Hand und blickte Blair schief an. "Sandburg, machen Sie alles nicht noch schwerer als es ist. Dr. Jordans erzählte mir, dass Sie von dem Vorfall zu wissen scheinen." Er machte eine kurze Pause und Blair glaubte, er sähe einen feuchten Glanz in Simons Augen. "Blair", er schluckte, "Jim liegt im Sterben, Sie können ihm nicht mehr helfen. Noch nicht einmal die Ärzte sind dazu im Stande."
Benommen von Gefühlen, die ihn überwältigten, drehte Blair sich ab. Er spürte, wie ihm Tränen in die Augen schossen. Schließlich blickte er strack in die Augen seines Captains. "Bitte Simon, ich weiß, dass es noch nicht vorbei ist. Das kann doch noch nicht das Ende sein!" Er erkannte, dass Simon sich nicht überzeugen ließ. "Bitte", flehte er mit zittriger Stimme.
Simon seufzte. "Wir haben versucht, seinen Vater oder seinen Bruder zu erreichen, aber bisher hatten wir keinen Erfolg. Vielleicht wissen Sie...?" Er verstummte, als er sah, dass Blair nur mit dem Kopf schüttelte.
"Bitte, Simon. Er sollte jetzt nicht allein sein!", flehte Blair erneut.
Aber sein Gegenüber verstand, was er meinte und nickte verständnisvoll. "Es ist jemand bei ihm, Blair."
Normalerweise nannte der Captain ihn sonst nie bei seinem Vornamen, er war immer nur ‚Sandburg’, obwohl sie schon jahrelang miteinander arbeiteten oder zumindest sich täglich sahen. Aber Moment mal, was sagte er gerade? Es war bereits jemand bei Jim? "Wer?"
"Irene", antwortete Simon schlicht.
Nachdenklich rieb Blair sich an seiner Stirn, das war eine alte Angewohnheit... Irene? Das war völlig ausgeschlossen, die war doch in Washington. Es sei denn, man hätte sie extra hierher geholt, aber das konnte er sich nicht vorstellen. Kein Arzt würde eine psychisch angeknackste Person kurzweilig aus der Psychiatrie entlassen, damit sie einen Freund am Sterbebett besuchte. "Wie...?"
Simon fiel ihm ins Wort: "Sie wurde wohl erst gestern aus der Anstalt entlassen. Sie war bereits zum Zeitpunkt des Geschehens wieder in der Stadt."
‚Zum Zeitpunkt des Geschehens’. Das klang gerade so, als würden sie hier über einen Mordfall sprechen oder irgendein Verbrechen, dass sich irgendwann irgendwo ereignet hatte. Aber verdammt, hier ging es um Jim, um ihren besten Freund - um seinen Sentinel... "Kann ich denn nun zu ihm?"
Simon seufzte erneut und sagte einige Sekunden nichts. "Na schön, aber die Ärzte erfahren nichts davon!"
Blair nickte eifrig. Daraufhin stahl sich Simon vorsichtig hinaus und kam einige Sekunden später mit einem Rollstuhl wieder herein. Im Schlepptau hatte er Irene, die ihn schüchtern begrüßte. Sie hatte gerötete Augen und legte ihren Kopf ein wenig zur Seite, als würde sie jemandem lauschen. Blair kannte diese Geste nur zu gut von Jim.
Simon verhalf Blair vorsichtig in den Rollstuhl. Der Captain blickte prüfend zum Mädchen, die Schmiere stand, und fuhr Blair schnell aus den Raum, als Irene ihr Ok gab.
Der Anblick von Jim, wie er leichenblass und regungslos im Bett lag, drehte Blair den Magen um. Die drei huschten schnell hinein und stellten Blair im Rollstuhl direkt neben das Bett. Simon stellte sich hinzu und Irene setzte sich an die andere Seite.
"Danke, ich komme von nun an alleine zurecht."
Irene schüttelte den Kopf. "Auf keinen Fall, wir bleiben hier. Erstens, weil Sie nur so halbwegs ungestört sind, denn ich kann jemanden schon von weitem hören. Und zweitens, weil wir nicht riskieren, Sie in Ihrem Zustand auch noch alleine zu lassen."
Blair erkannte, dass sie sich davon nicht abbringen lassen würde. An Simons nicken erkannte er, dass der Captain der gleichen Meinung war.
Es war ihm unangenehm, vor allem, weil er noch nicht wusste, was genau er eigentlich vor hatte. Wie hatte er sich das nun vorgestellt? Einfach Jim einreden, er solle wieder aufstehen, als wäre nichts gewesen? Hilflos betrachtete er seinen Freund und konnte in diesem Moment besser denn je nachvollziehen, wie Jim sich immer an seiner Stelle fühlen musste. Nur dieses Mal hatten sie die Plätze getauscht und Jim lag sogar im Sterben.
Seine Mine erhellte sich: Das war es! Jim hatte ihn auch schon einmal aus dem "Reich der Toten" zurückgeholt. Damals war er genaugenommen bereits ertrunken, als sich sein Sentinel über ihn beugte und ihn mittels einer gemeinsamen Vision zurückholte. Jim hatte ihm erzählt, dass ihm unmittelbar davor Incacha erschienen war - wie ihm im Koma! Aber der Sentinel hatte sich immer darüber ausgeschwiegen, wie er den Kontakt zu ihm aufgenommen hatte...
"Nun?" Irene starrte ihn erwartungsvoll an. "Wollen Sie nicht langsam mal anfangen? Ich weiß nicht, wie lange die Ärzte brauchen um zu erkennen, dass sie verschwunden sind..."
Blair blickte hinauf zu Simon. Dieser nickte. "Ich werde mich um die Ärztin kümmern." Er blickte noch einmal kurz auf die Stille Form seines besten Freundes. "Sein Schicksal liegt in Ihrer Hand, Blair." Dabei drückte er sanft die Schulter des jungen Mannes zur Ermunterung und verließ das Zimmer.
"Ok", begann Blair. "Ich weißt nicht, was jetzt passieren wird. Aber es darf auf gar keinen Fall jemand eingreifen, das könnte alles gefährden. Ich weiß nicht, was für Auswirkungen das haben könnte, verstanden?" Er schaute Irene durchdringend und mit Nachdruck an.
"Verstanden", antwortete sie zögernd und auch etwas skeptisch. Aber man sah ihr an, dass sie ihm vertraute und sich nicht einmischen würde.
Zufrieden mit der Antwort widmete sich Blair wieder Jim. Die Geräte im Raum piepsten in regelmäßigen Abständen. Er konzentrierte sich auf diesen Rhythmus und stellte sich dabei bildlich Jims Herzschlag vor. Daraufhin nahm er vorsichtig die Hand seines Freundes und schloss die Augen. Die Töne der Geräte stimmten mit dem Puls, den der deutlich unter seinen Fingern spüren konnte, überein. Schon bald verlor er jeden Bezug zur Umwelt, lediglich den gleichmäßig ertönenden Rhythmus und den Herzschlag nahm er noch wahr, als gäbe es nichts anderes um ihn herum...
Irene beobachtete gespannt, was vor sich ging. Sie konnte lediglich erahnen, was Blair im Schilde führte. War er jetzt in einer Art Trance? Er schien zumindest wie weggetreten. Nicht nur, dass er absolut still mit geschlossenen Augen Jims Hand hielt, seine Atmung und auch der Herzschlag hatte sich verlangsamt. Es gab aber keinen Grund zur Besorgnis, der Puls war noch immer regelmäßig, nur etwas ruhiger als normal.
Es war ihm, als falle er in ein unendliches Nichts. Tiefe Schwärze umgab ihn. Er fragte sich, wo er war. Was war das für ein Ort, an dem er sich befand? Nach einer Weile erhellte sich die Umgebung ein wenig, aber er konnte noch immer keine Umrisse erkennen.
Eine andere Frage beschäftigte ihn, die ihm Angst einjagte: Wer war er überhaupt? Er konnte sich an nichts erinnern, aber glaubte, es müsste ihm jeden Moment einfallen. Da war etwas, was ihm Antworten geben konnte, er musste nur wieder darauf kommen...
Angestrengt versuchte er alle Möglichkeiten durchzuspielen. Vielleicht befand er sich in einem dunklen Raum eingesperrt und konnte deshalb nichts erkennen? Oder er war blind? Es könnte auch ein Traum sein. Dann wäre es aber sicher ein Albtraum, denn diese Einsamkeit gemischt mit der Ungewissheit, wer und wo er war, jagte ihm Angst ein.
Nein, ein Traum konnte es nicht sein, sonst wüsste er zumindest wer er war. Wenn er blind war oder eingesperrt, wäre das ebenfalls der Fall. Außer natürlich man hätte ihm einen kräftigen Schlag auf den Kopf gegeben. Er fühlte nach, aber weder der Kopf schmerzte noch konnte er eine Beule ertasten oder ähnliches.
Also, wo sollte er dann sein? Wieso hatte er keine einzige Erinnerung, nicht eine einzige?
Plötzlich hörte er einen Wolf heulen und schaute sich um, aber sah weiterhin nur Schwärze um sich. Ein weiteres Mal hörte er den Wolf und mit einem Mal sah er mit diesem Geräusch für einen Bruchteil einer Sekunde, ein solches Tier vor sich, wie es sich in einen ihm unbekannten Mann verwandelte, der tot auf dem Boden lag. War er das etwa?
"Jim?" Eine Stimme, die ihm ebenfalls nichts sagte, erreichte ihn. Kurz darauf erschien der Mann, den er erst zuvor gesehen hatte. Jim - war das sein Name? Meinte der junge Mann ihn? Kannte er diese Person?
"Jim!" Der Fremde kam näher und hielt ihm eine Hand entgegen, als wolle er nach ihm greifen.
Schnell wich er aus, scheinbar meinte er wirklich ihn.
Verwirrt starrte er sein Gegenüber an, der ihn ebenfalls erstaunt musterte. "Jim?", fragte er vorsichtig. "Ich bin es, Blair!"
Seine Stimme klang wohltuend beruhigend. Aber Blair? Sollte ihm dieser Name etwas sagen? Zum einen meinte er den Mann kennen zu müssen, aber andererseits konnte er mit diesem Gesicht nichts anfangen...
"Erkennst du mich nicht wieder? Bitte Jim, streng dich an!" Traurig und flehend schaute Blair ihn an. Jim schüttelte langsam den Kopf.
"Weißt du denn noch, was passiert ist?", fragte Blair ruhig. Er sah Jims Gesichtsausdruck an, dass dies nicht der Fall war. "Es gab einen Unfall, du wurdest schwer verletzt. Ich kenne nicht die Umstände, aber ich glaube du wurdest angefahren." Blair konnte sich noch erinnern, wie die Ärzte in seiner Gegenwart darüber gesprochen hatten und glaubten, er könne sie nicht hören, weil er bereits wieder eingeschlafen wäre.
Jim versuchte mit dem Fetzen Informationen, den er nun hatte, seine Erinnerungen wachzurufen. Er überlegte lange und Blair starrte ihn nur stumm an, ließ ihm Zeit zum Überlegen.
Mit einem Mal konnte er sich an etwas erinnern.
Blair erkannte die Veränderung in der Mine seines Freundes. "Was? Kannst du dich erinnern?"
"Ähm, ich war nachts auf den Straßen unterwegs, ich weiß nicht mehr wieso. Ich konnte nichts mehr sehen, meine Sinne spielten verrückt. Plötzlich kam ein ohrenbetäubender Lärm auf mich zu und schließlich warf mich etwas grob um." Er runzelte die Stirn. Da es so aussah, als wolle er noch etwas ergänzen, blieb Blair still. "Dann war da diese Stimme", setzte Jim nach einer Weile fort.
"Welche Stimme?", hakte Blair nach.
"Ich weiß nicht, eine weibliche."
"Irene?"
Verwundert schaute er den kleineren Mann an. Irene? Plötzlich sah er für einen kurzen Moment eine Erinnerung an ein junges Mädchen, sie mochte vielleicht Mitte zwanzig sein. Er verband mit dieser Person nur Positives. Es war, als fühle er sich mit ihr verbunden. Er wusste nicht weshalb, aber in diesem Moment war ihm klar, dass dies Irene war. Er bejahte die Frage.
Blair nickte. "Irene hat dich am Unfallort gefunden und rief den Notarzt." Er machte eine kurze Pause um zu sehen, ob Jim sich noch an weiteres erinnern konnte, aber es blieb still.
Schließlich erhellte sich Jims Mine. "Du bist Blair Sandburg, richtig?"
Blair lächelte vor Freude. "Ja genau. Wir sind seit über vier Jahren gut befreundet und wohnen auch zusammen."
Jim nickte, immer mehr Erinnerungen an sein altes Leben kamen hoch. Aber... "Was mache ich hier? Wie komme ich hier her und wie du?"
Traurig senkte Blair den Kopf. "Der Unfall. Ich sagte schon, du wurdest schwer verletzt."
"Bin ich tot?", fragte Jim vorsichtig.
"Nein, aber du liegst nach Ansicht der Ärzte im Sterben."
Jim schaute sich um. Das würde zumindest einiges erklären. "Dann bist du nur ein Teil meines Traumes?"
"Nein." Blair schüttelte den Kopf. "Ich ähm... es ist schwer zu erklären. Sagen wir, ich habe einen Weg gefunden trotz deines Zustandes mit dir in Kontakt zu treten. In Wirklichkeit sitze ich zwar neben deinem Bett, aber das betrifft nur unsere Körper. Das hier ist ebenso Realität, es spielt sich halt nur in unseren Köpfen ab, verstehst du?"
‚Nein, nicht wirklich’, hätte er am liebsten geantwortet, aber er nickte stattdessen nur. "Und nun?"
Blair seufzte. "Nun müssen wir einen Weg hier raus finden..."
Still ließ Irene sich auf den Stuhl neben dem Bett nieder. Was machte sie eigentlich hier? War das tatsächlich die richtige Entscheidung? Wieso hatte sie Blair nicht davon abgehalten? Was wäre, wenn tatsächlich etwas schief gehen sollte, wie sollte sie sich das dann jemals wieder verzeihen?
Sie schaute kurz auf ihre Armbanduhr - laut Ärzten hätte Jim nur noch etwas über eine Stunde...
"Na prima, Einstein! Willst du damit sagen, dass du nicht weißt, wie wir hier wieder rauskommen? Wie hast du dir das vorgestellt, einfach mal ausprobieren?" Jim wandte sich wütend ab.
"Hey, ich mache das hier schließlich auch zum ersten Mal. Wie hast du das denn damals bei mir gemacht?"
Jim verschränkte die Arme vor seinem Körper. "Ich weiß es nicht, es ist alles viel zu schnell gegangen. Das lässt sich auch nicht mit dem hier vergleichen!"
"Das heißt also, du kannst dich daran erinnern?", hakte Blair vorsichtig nach.
"Ja", erwiderte Jim schlicht, aber überlegte dann selber. Es passte plötzlich alles beisammen. "Scheinbar kann ich mich wieder an alles erinnern."
Fröhlich lief Blair Jim gegenüber und grinste ihn breit an. "Das ist auf jeden Fall schon mal ein Fortschritt. Wie wäre es, wenn du dir jetzt mal eine andere Umgebung hier vorstellst?"
Jim blinzelte verwundert. "Ich soll was?"
"Na ja, wenn ich richtig liege, ist das hier sozusagen dein Gedächtnis. Na ja, Seele würde es vielleicht besser treffen. Diese Dunkelheit kam wahrscheinlich daher, dass du dich an nichts mehr erinnern konntest."
"Und jetzt soll ich mir einfach etwas Schönes vorstellen und das geht dann in Erfüllung, oder was?" Er schüttelte den Kopf, was für ein Schwachsinn!
"Nein, aber es würde vielleicht helfen, wenn du dir allmählich eine Umgebung vorstellst. Vielleicht kommen wir so dem Ziel näher."
Jim sah seinen Guide schief an. Das war mit Abstand die bescheuerste Idee, die er je hatte.
"Na komm schon, Jim! Ich habe keine Lust, hier zugrunde zu gehen!"
Jetzt wurde der Sentinel hellhörig. "Wie meinst du das?" Er überlegte kurz. "Blair, wenn ich sterbe und du bist dann noch, ähm, hier, also noch mit mir in diesem Kontakt. Was passiert dann?"
"Ich weiß es nicht", erwiderte Blair ehrlich. "Wie ich schon sagte, ich mache das hier auch zum ersten Mal."
Jim bemerkte, dass da mehr hinter stecken musste. Blair wusste doch mehr, als er vorgab. Vermutlich würde sein Tod ihn mit hineinziehen. "Ich möchte, dass du so sofort hier verschwindest!" Er wandte sich von Blair ab und lief einige Meter um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen. "Du bist hier sowieso keine Hilfe", fügte er noch schnell hinzu.
Aber Blair erkannte genau, was nun wieder in seinen Freund gefahren war. "Ich bleibe und du wirst meine Meinung auch nicht ändern können. Abgesehen davon weiß ich auch gar nicht, wie ich hier weg soll." Er holte das Stück zu seinem Sentinel auf und stellte sich ihm gegenüber. "Jim, du wirst dich schon ein bisschen anstrengen müssen. Das hier ist tief in dir drinnen, du kannst diesmal nicht vor dir selber weglaufen!" Er achtete darauf, dass er es in einem ruhigen Ton sagte, wie immer, wenn Jim zum Beispiel ein Zone hatte.
Traurig sah Jim leicht zu seinem Gefährten hinunter. "Ich weiß nicht wie", flüsterte er leise.
"Dafür bin ich ja hier." Blair legte aufbauend seine Hand auf Jims Schulter. "Das stehen wir gemeinsam durch, wie schon die letzten vier Jahre..."
Irene konzentrierte sich zwar auf ihr Gehör um zu überprüfen, ob jemand Unerwünschtes kam, aber eigentlich hatten Blair und Jim ihre ganze Aufmerksamkeit. Erneut stand sie auf um die Temperaturen der beiden zu überprüfen. Ihr empfindlicher Tastsinn besagte, dass sowohl Blair als auch Jim immer kälter wurden. Es handelte sich zwar nur um ein oder maximal zwei Grad, aber für eine halbe Stunde war das schon enorm. Außerdem verschlechterten sich Jims Werte rapide.
Sie fragte sich, was die beiden wohl gerade durchstanden. Wie glaubte Blair seinem Freund zu helfen? Und die wichtigste Frage: Konnte irgend jemand oder -etwas den Sentinel überhaupt noch vor den Tod bewahren?
Plötzlich hörte sie Schritte im Gang und eine Frauenstimme. Vermutlich war das Dr. Jordans, denn der Captain unterbrach sie mehrmals, quetschte sie über alles Erdenkliche aus. Scheinbar versuchte er sie abzulenken, dass sie nicht in diesen Raum laufen würde. Irene stand auf und wollte so auf den Besuch der Ärztin gewappnet sein. Stattdessen hörte sie, wie die beiden in Blairs Krankenzimmer liefen. *Oh-oh*
Die Ärztin schimpfte und beorderte eine Schwester Mr. Sandburg entlang des Flures und in naheliegenden Räumen zu suchen. Simon versuchte sie zu beruhigen, aber mit wenig Erfolg. Dr. Jordans eilte nun energischen Schrittes auf Jims Raum zu.
Irene überlegte, was sie der Wissenschaftlerin sagen sollte. Denn das war Dr. Jordans - eine Theoretikerin. Sie würde nie verstehen, was hier vor sich ging und versuchen, Blair von Jim zu trennen.
Sie sollte Recht behalten...
"Wunderbar! Siehst du, ich wusste, du schaffst es!" Ein Lächeln huschte über Blairs Gesicht, als er eine Dschungellandschaft um sich erkannte. Wieso gerade Dschungel, wusste er auch nicht, aber es war ja auch gar nicht so abwegig, schließlich spielten sich Jims Visionen auch immer im Dschungel ab. Und dies war so etwas ähnliches wie eine Vision...
"Angenehm der Herr?", fragte Jim gereizt und fasste sich an seinen schmerzenden Kopf.
Sofort war Blair zur Stelle. "Was ist?"
"Kopfschmerzen. Ich kann kaum noch klar denken!"
Blair nickte. "Möglich, dass das sozusagen erste Anzeichen sind. Wir sollten uns beeilen!"
Der Sentinel warf seinem Kumpel einen schiefen Blick zu. "Prima, Genie. Sag mir endlich was ich machen soll und ich fange auch direkt damit an!”
"Erst einmal solltest du dich beruhigen! Erinnerst du dich noch an die zahlreichen Meditationsübungen, die ich dir gezeigt hatte?"
"Häuptling, wir haben jetzt sicher keine Zeit für Spielchen!", schimpfte Jim verärgert.
"Das sind keine Spielchen! Du möchtest, dass ich uns hier raushole - na schön. Aber das geht nur, wenn du auch genau das tust, was ich dir sage, verstanden?" Er blickte bestimmt zu seinem Sentinel hinauf. "Also, entweder wir machen es auf meine Art oder wir lassen es ganz bleiben!"
Für einige Sekunden war Jim ruhig, dann gab er schließlich nach. "Na gut, aber bitte beeil dich. Ich habe das Gefühl, mein Kopf explodiert jeden Moment."
"Ok, gut. Wir beginnen mit diesen Atemübungen. Atme langsam ein... Schön und jetzt wieder ruhig aus. Konzentriere dich auf deine Atmung, spüre, wie du deine Lungen mit Sauerstoff füllst... und langsam die Luft jetzt wieder herauslässt. Ja, genau so, sehr schön..."
"Das dürfen Sie nicht! Wenn Sie jetzt eingreifen, könnten beide sterben, auch Sandburg!" Irene versperrte der Schwester den Weg, nachdem Dr. Jordans diese sozusagen zur Unterstützung herbeigerufen hatte.
"Mr. Sandburg gehört ins Bett. Wenn es das ist, wie es hier aussieht, scheint er erneut in eine Art Koma gefallen zu sein! Jede Minute, die er ohne dringend notwendige Behandlung verbringt, wird seinen Zustand noch verschlechtern!"
Irene dachte gar nicht daran, die Ärztin nur in die Nähe von Blair zu lassen. Sie hatte ihm versprochen, dafür zu sorgen, dass niemand ihn stören würde. Und sie hielt grundsätzlich ihre Versprechen... "Sie haben gar keine Ahnung, was hier wirklich vor sich geht, nicht im Entferntesten!"
"Dann erklären Sie es mir doch!", kam die schnippische Antwort zurück.
Irene wusste darauf nichts zu antworten. Sie wusste ja selber noch nicht einmal genau, was hier geschah, wie sollte sie es dann noch erklären? Außerdem wollte sie nicht, dass Blairs offensichtliche Begabung, in wie weit diese auch immer zum Ausdruck kam, bekannt wurde. Sie konnte jetzt schon lesen, was in dann in der morgigen Klatschpresse auf Seite drei zu lesen wäre. Sie starrte den Captain flehend an. Sie hatte hier keine Befugnisse und wusste sie sich nicht mehr weiter zu helfen.
Seufzend gab Simon klein bei. "Dr. Jordans, ich übernehme hier die volle Verantwortung."
Das schien der Ärztin aber nicht auszureichen. "Sie übernehmen die Verantwortung? So, so. Haben Sie den Hippokratischen Eid geleistet, oder ich? Und wenn es zu Komplikationen kommt, werden auch sicher nicht Sie zur Verantwortung gezogen! Nein, das bleibt dann alles an mir hängen!"
Während ihrem kleinen Wutausbruch kam plötzlich das Sicherheitspersonal des Hospitals zur Tür herein und zeigten auf Irene und Simon. "Sind das die aufsässigen Personen?"
Er war in einem Zustand völliger Entspannung und Ruhe. Seine Kopfschmerzen plagten ihn zwar noch immer, aber sie erschienen jetzt mehr wie ein Art Hintergrundgeräusch. Blairs begleitende Stimme ließ ihn immer weiter in diese paradiesische Zone gleiten.
"Fühlst du dich jetzt völlig entspannt, Jim?"
Der Sentinel nickte. "Ja." Seine Stimme war ruhig, sein ganzer Körper absolut relaxt. Er behielt seine Augen die ganze Zeit über geschlossen.
Blair war mit dem Resultat sehr zufrieden. "Gut. Nun denk an den Moment vor dem Unfall zurück." Er sah, wie Jim angestrengt die Stirn runzelte.
"Ja."
"Was passierte davor?"
"Ich war noch mit Esira in diesem Tor. Plötzlich verschwand sie. Ich suchte einen Ausweg und dann war da dieses grelle Licht. Ähm, ich ging darauf zu. Schließlich durchlief ich es und war dann wieder im Portside Park."
Blair verstand kein Wort, von dem, was Jim da erzählte. Esira? Das war doch die Schamanin, die ihm in seiner Vision erschien. "War das auch sicher keine Vision?"
Der Sentinel schüttelte den Kopf.
"Von welchem Tor hast du da gesprochen und wo genau warst du, kannst du mir das beschreiben?"
"Schwierig", erwiderte Jim. "Da war diese Frau, ihr Name war Esira. Sie meinte, sie könnte mir bei meinen Problemen helfen. Sie wusste von dir und deinen Fähigkeiten. Sie wollte mir so weiß machen, dass du ein Schamane bist. Sie zeigte mir Bilder aus unserer Vergangenheit, erzählte mir vom Ruf des Schamanen." Während er davon erzählte, veränderte sich die Umgebung. Aus dem Dschungel wurde ein Park; inmitten eines Platzes sah man ein Tor.
Jim öffnete langsam wieder die Augen, aber blieb weiterhin relaxt. "Sie wusste, was mit dir nicht stimmte. Sie führte mich durch dieses Portal, ein Kunstwerk im Portside Park. Innen war es schwarz und leer, wie hier zu Anfang. Nur, wenn sie mir diese Bilder zeigte, verschwand die Dunkelheit. Und mit ihr verschwanden schließlich auch die Bilder. Nachdem ich diesen Raum verließ, bekam ich Schwierigkeiten mit meinen Sinnen. Ich wollte ins Loft oder vielleicht auch zu dir ins Krankenhaus, ich weiß es nicht mehr genau. Auf den Weg dorthin verlor ich dann ganz die Kontrolle und..."
Mit einem Mal verkrampfte Jim sich. Die Meditation musste nachgelassen haben, er stöhnte vor Schmerzen und hielt sich schützend am Kopf...
"Nein!" Irene schaute noch immer den Captain flehend an.
"Lassen Sie sie in Ruhe." Er zeigte seine Polizeimarke. "Ich übernehme das!"
Das Sicherheitspersonal ließ sich davon nicht beeindrucken. Sie machten sogar Anstalten, ihn ebenfalls mitzunehmen. "Was erlauben sie sich?"
Irene wurde gerade von einem Wachmann aus dem Zimmer gezerrt.
"Entweder sie gehen freiwillig oder ich lasse sie ebenfalls hier wegschaffen, Marke hin oder her." Eisern blickte Sarah Jordans ihn dabei an.
Simon überlegte. "Geben Sie den beiden noch fünf Minuten, bitte!"
Doch so lange mussten sie nicht warten...
Jims Geräte begannen plötzlich wie wild zu piepsen. "Ich möchte diesen Mann hier nicht mehr sehen", wandte sie sich an die Sicherheit. Schließlich widmete sie sich wieder ihrem Patienten. "Sein Zustand verschlechtert sich, er kollabiert."
"Jim? Jim!" Blair rüttelte an der Schulter seines Freundes. Er versuchte es mit gutem Zureden, mit schreien, aber es gab keine Reaktion. Der Sentinel verkrampfte sich auf dem Boden immer mehr vor Schmerzen.
"Jim, versuche dich an diesen Raum in dem Portal zurückzuerinnern. An diese Schwärze..."
Es schien zu wirken, das Tor verschwand, um sie herum war nichts mehr als Dunkelheit zu sehen.
"Gut. Und nun denk an diese Lichterscheinung zurück, die du hattest, als Esira dich alleine gelassen hatte."
Es gab keine Reaktion. Jim begann vor Schmerzen laut aufzuschreien...
Simon verließ das Krankenzimmer. Er hörte noch, wie die Ärztin etwas von Kollabieren erzählte, dann schloss sich die Tür hinter ihm. Der Wachmann, der ihn begleitete, blieb vor der Tür stehen. "Wo ist das Mädchen hingebracht worden?"
"Vermutlich ins Erdgeschoss, wo alle Aufrührer hinkommen." Der stämmige Mann grinste dabei schadenfroh.
Wütend brauste Simon davon. Er wäre gerne bei Jim und Blair geblieben, aber zurzeit hätte man ihn sowieso nicht dort hineingelassen, das war aussichtslos. Er lief den Gang hinunter und auf den Fahrstuhl zu, als er plötzlich einen dumpfen Schlag hinter sich hörte. Blitzschnell drehte er sich um und sah nur noch, wie der Wachmann von vorhin zu Boden sackte. Eine Person glitt in Jims Raum, von der er glaubte, es wäre Irene gewesen...
"Jim, das Licht, denk an das Licht!" Blair sprach immer und immer wieder auf seinen Sentinel ein. Schließlich berührte er ihn vorsichtig am Kiefer und packte schließlich auch mit seiner zweiten Hand zu. Auf diese Weise musste Jim ihm in die Augen schauen. "Jim. Bitte, denk an diesen Lichtblitz, von dem zu erzählt hattest. Stell ihn dir lebhaft vor."
Plötzlich gab es eine Erleuchtung und Blair drehte sich um. Hinter ihm war nun ihre scheinbar einzige Hoffnung...
Simon rannte in den Raum. Er glaubte nicht, was er da sah: Irene stand mit kämpferisch und abwehrender Stellung zwischen der Ärztin und Blair, der noch immer Jims Hand hielt. Die Geräte piepsten weiterhin, aber es gab zumindest mal noch einen Herzschlag. Beide - Jim und Blair - waren totenblass und ihre Gesichter waren schweiß gebadet.
Erst jetzt bemerkte Simon, dass Dr. Jordans an der Unterlippe leicht blutete. Er befürchtete das Schlimmste. Böse blickte er zu Irene herüber, die seine Anwesenheit einfach ignorierte, sie war völlig auf die Ärztin und ihre Assistentin fixiert...
"Ok Jim, kannst du aufstehen?" Blair wartete nicht erst auf eine Antwort. Er griff seinem Freund unter die Arme und stütze ihn so. Blair fiel es schwer, den Sentinel zu tragen, da dieser kaum noch richtig anwesend war und sich nur plump mitschleifen ließ. Schritt für Schritt kamen die beiden dem Licht näher...
"Ms. Peterson, was um alles in der Welt machen Sie da?"
Irene schien zuerst gar nicht zu reagieren, dann antwortete sie schließlich: "Sie dürfen sie nicht stören." Ihre Stimme klang zittrig, etwas verzweifelt. Noch immer piepsten die Monitore, an die Jim angeschlossen war, bedrohlich.
"Sir, nehmen Sie diese Verrückte hier weg, Ihr Detective stirbt!" Dr. Jordans näherte sich dem Bett ein wenig. Für Irene Grund genug, sich erneut in Abwehrstellung zu positionieren, mit ihren Fäusten zuerst. "Sir!", rief Jordans erneut.
"Ms. Peterson... Irene, bitte, lassen Sie die Ärztin ihre Arbeit machen!" Vorsichtig näherte Simon sich.
Verwirrt drehte sich das Mädchen zu ihm um. "Aber Sie dürfen das nicht zulassen, es ist noch nicht zu spät!"
Sarah nutzte diesen Moment der Unachtsamkeit und stürzte sich auf Irene. Diese war davon so überrascht, dass sie gar nicht so schnell reagieren konnte und zu Boden gerissen wurde.
Nur noch einen Schritt und sie würden endlich hier weg sein...
Blair durchschritt mit Jim im Schlepptau das gleißende Licht. Eine Hitze umgab sie. Er fragte sich, ob er jetzt tot sei. Viele Menschen, die eine außerkörperliche Erfahrung nahe dem Tod hatten, erzählten von einem Tunnel mit einem hellen Licht am Ende, auf das sie zugelaufen oder auch geschwebt wären. Vielleicht war das auch nur so eine Erfahrung?
Das helle Licht löste sich langsam, wie eine Nebelbank um sie herum, auf...
Simon eilte sofort zu Irene, die noch erschrocken auf dem Boden saß und sich gerade aufrichten wollte. Etwas anderes lenkte schließlich seine volle Aufmerksamkeit auf sich.
"Schwester, schnell! Ellisons Werte..." Für einige Sekunden hörte man nur das regelmäßige ‚Piep’ der Maschinen, das etwas schneller und rhythmischer wurde.
Dr. Jordans konnte nicht glauben, was sie sah, und das auch noch zum Zweiten Mal an diesem Tag: Die Werte des Patienten rehabilitierten sich völlig und das noch in diesem sehr kurzen Zeitraum...
Fast zeitgleich erwachten Blair und Jim langsam aus ihrem Dornröschenschlaf. "Was ist passiert?", murmelte Blair und blinzelte einige Male benommen.
"Ein Wunder", antwortete Sarah Jordans mit einem überglücklichen Lächeln.
"Ich kann es noch immer nicht fassen, wie Sie es zulassen konnten, dass Irene für zwei Nächte in Haft genommen wurde!" Jim blickte Simon schief von der Beifahrerseite aus an.
"Jim, ich sagte Ihnen bereits, ich tat, was ich konnte. Sie hat immerhin drei Personen angegriffen! Wir können von Glück reden, dass Dr. Jordans ihre Anklage zurückgenommen hat." Simon bog in einen Parkplatz vor dem Haus, in dem Jim und Blair wohnten.
"Und ich bin Ihnen auch sehr dankbar dafür, Sir. Mir ist bewusst, dass ich normalerweise Schlimmeres verdient habe." Irene stieg aus dem Wagen, die anderen taten es ihr gleich.
"Wenn Sie nicht gewesen wären, wäre Jim jetzt tot!", widersprach Blair.
"Und Sandburg vermutlich auch", ergänzte Jim. "Du hast das einzig Richtige getan, nur leider erkennt das keiner."
"Ich halte es immer noch für eine bessere Idee, wenn ich wieder ins Hotel zurückfahre. Ich möchte nicht, dass du meinetwegen auch noch Umstände hast." Sie schaute zu Jim, der mühselig die Stufen zur Haustür hinauflief.
"Irene, Sie machen uns keine Umstände! Wir haben das doch schon hundert mal gesagt." Blair hielt Jim und dem Mädchen die Tür auf. Just, als der Captain ebenfalls hindurch gehen wollte, ließ er den Knauf los und Simon bekam die Tür vor den Kopf geschlagen. Blair sah das noch im Augenwinkel, wollte sich gerade entschuldigen, sah aber dann den mahnenden Blick seines Chefs und machte sich schnell aus dem Staub.
"Nun Ms. Peterson. Ich muss leider meinem sehr vorlauten Polizeiberater Recht geben", zischte Simon und warf Blair einen bösen Blick zu. Dann wandte er sich wieder an das Mädchen, während sie auf den Fahrstuhl warteten. "Außerdem fühle ich mich besser, wenn ständig jemand bei den beiden ist und nach ihnen schaut."
Blair musterte Simon amüsiert.
"Für den Fall natürlich, dass der Junge wieder etwas anstellt", fügte Simon daraufhin schnell hinzu. "Und Jim kann zur Zeit noch kaum laufen und benötigt Bettruhe. Sie sehen, er brauchte Ihre Hilfe." Unschuldig schaute er auf Irene hinab.
Diese blickte dann Jim an, der grinsend nickte. "Wie du siehst, hast du gar keine andere Wahl."
Der Fahrstuhl glitt auf und sie stiegen hinein. Simon entschied sich dafür, lieber wieder zurück zum Police Department zu fahren und verabschiedete sich schnell bei seinen Mitarbeitern und der jungen Frau.
"Hm, wenn das so ist, habe ich wohl wirklich keine andere Wahl." Irene drückte den Knopf für den vierten Stock und die Türen des Fahrstuhls glitten wieder zu.
"Gut." Jim grinste. "Deine erste Aufgabe wird es sein heute Abend erst einmal alle unsere Sachen von Simon zu holen. Die haben wir nämlich jetzt im Auto liegen lassen."
Blair warf Jim einen schiefen Blick zu und schlug sich mit seiner rechten Hand gegen die Stirn. "Jim, wieso fällt Ihnen das erst jetzt ein! Vielleicht kriegen wir Simon noch!" Er drückte den Knopf für das Erdgeschoss.
Plötzlich gab es einen Ruck und es wurde dunkel.
"Ups."
"Häuptling, was haben Sie jetzt schon wieder angestellt!"
"Ich bin völlig unschuldig!"
"Das sagen sie alle!"
"Na schön, rufen Sie Simon an, der soll jemanden herholen, der uns wieder hier rausholt."
"Ähm, Jim, ich habe leider mein Handy nicht. Schon vergessen? Simon hat die Sachen noch."
"Das habt ihr ja toll hingekriegt, Jungs."
"Wieso wir? Wo ist denn dein Handy, Irene?"
"Hat auch der Captain. In der Haft sind selten Handys gestattet."
"Oh-oh."
"Was ist denn jetzt schon wieder, Häuptling?"
"Der Fahrstuhl ist so oft kaputt, dass die halbe Nachbarschaft sowieso schon nur noch Treppen läuft. Ergo dürfte es dauern, bis jemand das Desaster feststellt und uns hier rausholt."
"Da haben Sie uns ja was schönes eingebrockt!"
"Ich? Ich habe doch nix getan!"
"Doch nicht du, Irene. Sandburg!"
"Ich habe doch auch nix getan!"
"Na schön, dann sitzen wir also grundlos hier fest."
"Hey Jungs, jetzt zerfleischt euch doch deswegen nicht gleich."
"Vielleicht sollten wir nach Hilfe rufen?"
"Gute Idee, Häuptling, nur dürfte uns keiner hören. Zur Zeit ist keiner in der Nähe."
"Hm, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als das Beste daraus zu machen."
~ Rascheln ~
~ Brummen ~
~ Erneutes Rascheln ~
"Nun setzen Sie sich doch auch mal hin, Sandburg!"
"Bitte? Ach so, klar."
~ Rascheln ~
"Na schön. Da wir sowieso nichts Besseres zu tun haben: Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie ins Koma gefallen sind, Blair? Und Wie sind Sie da so plötzlich wieder rausgekommen? Und was ist bei dieser Meditation oder Trance oder was das war passiert? Und warum bist du noch nachts durch das schlimmste Viertel von Cascade gegeistert, Jim?"
"Oh je, das sind aber viele Fragen, Irene."
"Na und? Wir haben doch auch viel Zeit. Irgendwann müssen wir das Thema sowieso mal ansprechen."
"Das ist ein Argument."
"Sag ich doch."
Während die beiden jeweils ihre Version der Geschichte und auch Irene ihren Anteil dazu erzählte , verstrichen die Stunden.
"Also darf ich mal zusammenfassen: Blair, Sie sind ein Anthropologe, der für Jim, dem Sentinel, ein Guide ist, ein Beschützer in gewissen Lagen und auch ein Schamane, ja? Und Jim, du bist ein Cop und Sentinel und Blairs ‚gesegneter Beschützer’. Außerdem hilfst du Blair womöglich noch bei seinem Schamanen Dingsda."
"Äh, so etwa könnte man das ausdrücken, ja."
Ein erneuter Ruck versetzte plötzlich alle in Schrecken. Während Blair mit Horror an die Zeit zurückdenken musste, wo er schon einmal in einem fallenden Fahrstuhl feststeckte, gingen langsam alle Lichter wieder an.
"Oh, was jetzt?"
"Na man hat uns gefunden, Häuptling."
Im gleichen Moment versetzte sich der Fahrstuhl in Bewegung. Nur kurze Zeit später öffnete sich die Tür und sie sahen sich im vierten Stock wieder. Vor ihnen stand Simon, der von einem Ohr zum nächsten grinste. "Ich dachte schon, Sie wollten da übernachten."
"Ha ha, sehr witzig, Simon!"
Die drei standen langsam auf und streckten ihre müden Glieder.
"Suchen Sie vielleicht das hier?" Schmunzelnd reichte Simon ihnen drei Handys entgegen.
Jim überlegte kurz. "Das haben Sie doch nicht mit Absicht gemacht, oder?"
Simon lächelte nur und wandte sich an die zwei Mechaniker, die den Lift wieder repariert hatten. "Danke, ich glaube, ich brauche Sie jetzt nicht mehr."
Die Zwei gingen. Daraufhin liefen Simon, Jim, Blair und Irene die wenigen Meter ins Loft. Drinnen standen ihre Sachen. Die Drei schielten skeptisch zum Captain hinüber, der nur vielsagend grinste und genüsslich an seiner Zigarre zog.
Ende
Wird fortgesetzt in "Pfad der Erinnerungen"
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