Disclaimer: Die Charaktere Jim Ellison, Blair Sandburg und Simon Banks gehören leider nicht mir, sondern Pet Fly Productions und Paramount Pictures.
Ein ganz großes Dankeschön an Pat für ihr ausgezeichnetes Beta-read, ihre wirklich guten und stets in Humor und nette Worte verpackten Ratschläge, ihre aufmunternden Kommentare und ihre Unterstützung im Kampf gegen widerspenstige Satzzeichen. *g*
In dieser Story geht es um Blair in Gefahr, Jim auf Rettungsmission, Klischees en masse und ... die Entstehungsgeschichte einer Fanfic inklusive der wirren Gedanken einer Fanfic-Autorin, die sich in die Ecke geschrieben hat.

Handlungen und Gedanken besagter Autorin sind kursiv.



Real Life

von Sinaida


Beta Read
von Pat :-)


Blair rannte die dunkle Straße entlang. Gehetzt sah er sich um.
Der Mann, der ihn gerade eben noch verfolgt hatte, war auf einmal wie vom Erdboden verschluckt.
Blair ...

Nee, nicht schon wieder "Blair" am Satzanfang, aber, was dann?

Der junge Anthropologe ...

Genau, hau dem Leser gleich am Anfang etwas info-dump um die Ohren.

Der junge Anthropologe, mit dem schulterlangen lockigen Haar und den ozeanblauen Augen, bester Freund, Mitbewohner, Partner und Guide von Jim Ellison, seines Zeichens Detective beim Cascade PD und Sentinel, schnappte nach Luft. Wie ein Fisch auf dem Trockenen.

Weg mit dem Quatsch!
Also, weiter mit "Blair" bis mir was Besseres einfällt.

Blair schnappte nach Luft, lief etwas langsamer und blieb schließlich stehen. Erschöpft lehnte er sich an eine Hauswand und lauschte angestrengt auf sich nähernde Schritte. Doch das einzige, das er hören konnte, war das heftige Pochen seines eigenen Herzens.

Er hatte ihn abgehängt!
Oder?
Erneut ließ er seinen Blick die Straße hinunter gleiten.
Keine Spur seines Verfolgers.
Vorsichtig löste er sich aus dem Schatten der Hauswand und machte einige zögernde Schritte in Richtung Straßenmitte.

Schritte ... Straßenmitte ... hm, nein keine Reime ... warum sollte Blair auch auf die Straße rennen? Nicht, dass er Mr. X entkommt, nur um dann vom Bus überfahren zu werden ... also ...

... machte einige zögernde Schritte den Gehstein entlang. Unter der nächsten Straßenlaterne sah er ihn stehen. Durch das Spiel von Licht und Schatten wirkte die bullige Gestalt des Mannes noch bedrohlicher.
In seiner Hand hielt er einen Gegenstand, der im Schein der Straßenlaterne metallisch aufblitzte.

Das Messer!

Blair hielt den Atem an und schloss kurz die Augen.
Das Messer, das ihm heute schon mehr als einmal gefährlich nahe gekommen war.
Er zwang sich ruhig zu bleiben, atmete tief durch und riskierte noch einen Blick auf seinen Verfolger. Der hatte sich inzwischen wieder in Bewegung gesetzt und holte schnell auf.
Der junge Anthropologe ...

... und diesmal bleibt es drin ...

... rannte weiter um sein Leben.

... und wenn er nicht gestorben ist ... *gähn* ... Hach wie spannend! Nur ein Problem dabei. Warum verfolgt der Typ Blair? Ich habe noch keine Ahnung! Wenn mir nicht bald was einfällt, dann rennt mein erklärter Lieblings-Anthropologe so lange durch diese plotlose Story bis er einem Herzinfarkt erliegt.
Wieso schreibe ich eigentlich so etwas?
Ein Blair-Owie für Mishale, das was's.
Andererseits, wer sagt, dass das Ganze realistisch sein soll ... und deshalb ...

Wenn der Mann ihn diesmal erwischte würde er keine Kraft mehr haben sich loszureißen.

Das ist jetzt etwas unklar, wer hat keine Kraft mehr?

Wenn der Mann ihn diesmal erwischte, würde Blair keine Kraft mehr haben sich loszureißen.

Nicht ideal, aber das Beste, was ich jetzt zustande bringe. Vielleicht habe ich später beim Durchlesen ja noch eine Erleuchtung.

Er hatte jedes Zeitgefühl verloren und ihm schien es, als wäre er schon Stunden auf der Flucht. Wieder blickte er sich angsterfüllt um, rannte noch etwas schneller und prallte in vollem Lauf gegen einen Laternenpfahl. Mit schmerzverzerrtem Gesicht hielt er sich die Stirn. Er spürte Feuchtigkeit an seinen Fingern.

Blut!

Na, Mishale, wie ist das?
Ich weiß, ich weiß, das war jetzt eine ziemlich alberne Slapstick-Einlage, Blair ist schließlich nicht blöd, ganz im Gegenteil, okay, weg damit.

Aber Blut im Gesicht macht sich immer gut.

Wieder blickte er sich angsterfüllt um und rannte noch etwas schneller.
Ihm wurde schwindelig. Irgendetwas trübte seinen Blick. Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn und spürte Feuchtigkeit an seinen Fingern.
Blut! Die Wunde an seinem Haaransatz hatte sich wieder geöffnet.
Taumelnd bewegte er sich vorwärts und versuchte möglichst viel Abstand zwischen sich und seinen Verfolger zu bringen. Nach einem vorsichtigen Blick über die Schulter drückte er sich in eine schmale Seitengasse. Hier war es stockdunkel. Mit ausgestreckten Armen tastete Sandburg sich vorwärts und setzte langsam einen Fuß vor den anderen. Er trat auf etwas Hartes, aber Nachgiebiges.

Ein Brett.

Es knarrte bedenklich, als Blair sein Gewicht verlagerte. Schnell trat er wieder einen Schritt zurück, stolperte, verlor das Gleichgewicht und stürzte in eine scheinbar bodenlose Dunkelheit.

Hier sollte ich eigentlich aufhören mit den Worten: "Wird Blair Sandburg den schrecklichen Aufprall überleben?"
Der Rest folgt dann in Teil zwei.
Denn, ich habe ein Problem:
Was jetzt? Blair im dunklen Loch, Messer-Man findet ihn und dann?
Oder, Messer-Man, weil zwar mega-gefährlich aber ziemlich beschränkt, findet ihn nicht und dann? Wie kommt Blair da wieder raus? Vor allem - wo ist er eigentlich reingefallen?
Es ist echt zum Heulen.
Samstag Nachmittag, ich habe Zeit zum Schreiben und was passiert? Die Ideen gehen mir aus.
Noch keine zwei Seiten und schon habe ich Blair in die Ecke geschrieben. Oder in den Keller. Oder wo auch immer er ist. Ich brauche eine Pause und einen Kaffee.
Besser noch, eine Konferenz- e-mail- Schaltung zu Pat.
Sie hat bestimmt eine Idee! Drei wahrscheinlich! Und ich frage mich dann wieder, warum mir nicht wenigstens eine davon eingefallen ist.
Komm, wo bleibt dein Stolz? Erst Mal selber probieren.

Schritte im Treppenhaus.

Das kann nur Tina sein, meine Freundin-Schwester, die in der Wohnung über mir wohnt. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir Schwestern sind, nur irgendetwas ist in dem großen kosmischen Plan schief gelaufen und deshalb wurden wir in verschiedene Familien hinein geboren.
Ich könnte ihr mein aktuelles Problem schildern. Vielleicht entpuppt sie sich ja als Spezialistin für in Löchern festsitzende Anthropologen.
Nach den üblichen Begrüßungsfloskeln und einer kurzen Situationsbeschreibung komme ich gleich zur Sache:
"Hast du eine Idee wie es weitergehen könnte? Wie bringe ich Blair da wieder raus?"

Sie zuckt mit den Schultern: "Na, lass doch Jim auftauchen. Der verprügelt den Messerstecher und rettet Blair."

"Ich weiß nicht so recht ... das ist irgendwie ... hm ... Wie findet Jim ihn?"

"Woher soll ich das denn wissen? Du schreibst doch die Story, wieso weißt du dann nicht mal wer da hinter Blair her ist und warum?"

Was ist denn das für ein Kommentar? Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun? Nur weil ich die Story schreibe, bin ich doch nicht für alles verantwortlich was passiert, so was!

"Ich bin mir da halt noch nicht so sicher."

"Lass mich mal einen Blick drauf werfen. Vielleicht habe ich dann eine Idee."

Eine unfertige, undurchdachte, unausgegorene Story ... jemandem zeigen!? Nicht in diesem Leben! Nur über meine Leiche! Nicht um alles in der Welt!

"Ach, nö, danke, mir fällt schon noch was ein ..."

Also, Jim eilt zur Rettung, hm. ...

Na gut, Julia steht doch auf diese h/c-Sachen. Dann hätte ich ihr auch einen kleinen Gefallen getan. Sie möchte aber auch was mit Daryl ... vielleicht sollte ich den zu Blair ins Loch stecken. Sie brauchen dann nur noch einen dritten Mann und schon können die Skat spielen.
Nein, erst mal kein Daryl.
Also, h/c...
50% einer h/c- Story habe ich ja schon. Ein ziemlich übel gehurteter Blair. Bleiben noch die anderen 50% in Form eines comforting Jim im besten blessed-protector-Modus.

Na gut, Vorhang auf für den Sentinel ...




Jim Ellison lenkte seinen Wagen die Park Avenue entlang. Nur noch ein paar Minuten und er wäre zu Hause. Endlich. Der Tag war wirklich anstrengend genug gewesen.
Ein stundenlanges Verhör mit Jewgenij Klevov, einem kleinen Fisch in der Drogenszene, hatte Jim keine nennenswerten Erkenntnisse, sondern nur Kopfschmerzen eingebracht. Durch Klevov hatten er und Simon an die Hintermänner des Jurtschenko-Kartells herankommen wollen.
Doch Jewgenij schien wirklich nichts zu wissen, außer seinem Namen. Und selbst der war ihm erst nach mehrmaligem Nachfragen wieder eingefallen.
Dann noch die Sorge um Blair. Er war heute Mittag nicht zu ihrer Verabredung zum Essen erschienen.

... und er steckt in keinem Aufzug mit einer, von einem Psychopathen kontrollierten, Bombe ...

Jim hatte mehrmals versucht ihn anzurufen, auf seinem Handy, in der Uni, zu Hause, doch ohne ihn zu erreichen.
Vielleicht war es lächerlich sich gleich Sorgen zu machen. Blair war manchmal so in seine Arbeit vertieft, dass er alles um sich herum vergaß. Sicher saß er im Loft, inmitten von aufgeschlagenen Büchern und beschriebenen Zetteln.
Doch ein unbestimmtes Gefühl sagte dem Sentinel, dass sein Guide in Gefahr schwebte.
In großer Gefahr.

In riesiger Gefahr, so zu sagen. Mensch, ist das plump. Andererseits ... unbestimmte Gefühle sind doch was Feines. Man muss sie nicht erklären, aber sie lösen so einen Bibber-Effekt aus.

Blair öffnete langsam die Augen.
Er lag auf dem Rücken, um ihn nur undurchdringliche Dunkelheit. Blinzelnd versuchte er irgendetwas zu erkennen.
Vergeblich.
Vorsichtig bewegte er die Arme, ließ es aber sofort wieder, als ein stechender Schmerz durch seinen Rücken fuhr. Sein ganzer Körper schien nur noch aus Schmerzen zu bestehen. Benommen fragte er sich, wo er war und warum er sich dort befand.

Ja, Junge, das frag' ich mich auch. Und ich habe noch nicht mal die Entschuldigung eines angeschlagenen Kopfes.

Nach und nach fiel ihm alles wieder ein. Sein Verfolger mit dem Messer, die Straße, der Sturz, dann Dunkelheit. Aber was war vorher passiert? Was wollte dieser Mann von ihm? Warum war er hinter ihm her?
Blair versuchte sich zu konzentrieren, bemühte sich, ruhig und tief zu atmen, strengte sich an, um sich zu erinnern. Doch alles, was vor seiner Flucht geschehen war schien in weite Ferne gerückt zu sein. Er erinnerte sich an nichts mehr.

Und damit ist er in etwa auf demselben Stand wie Jewgenij Klevov. *g*
Ja, ja, die gute Amnesie. Okay nicht ganz. Sagen wir, Teilamnesie. Sie hat mich gerettet. Jetzt kann ich mir die Erklärung für Messer-Man bis zum Ende der Story aufheben. So lange, bis Blair sich wieder erinnert und das kann dauern ... nach dem Sturz.




Jim betrat das Loft und merkte sofort, dass Blair nicht zu Hause war. Kein Herzschlag, außer seinem eigenen. Den Volvo hatte er auch nicht auf dem Parkplatz gesehen.
Er schaltete das Licht an und ließ die Atmosphäre der Wohnung auf sich wirken. Unnötig, in Blairs Zimmer zu sehen, Jim war auch so klar, dass sein Freund, seitdem er heute morgen das Loft verlassen hatte, nicht mehr da gewesen war.
Er merkte es an dem Geruch.
Abgestandene Luft, ein Rest Kaffeeduft vom Frühstück, aber nicht der vertraute Geruch den Blair mitbrachte wenn er von Rainiers kam. Nach alten Büchern, Staub und diesem seltsamen Tee, von dem er einen Vorrat in seinem Büro hatte.
Jim griff nach dem Telefon und wählte erneut Blairs Handynummer. In dem Moment, als das Freizeichen ertönte, kam auch schon eine eingängige Melodie aus dem Zimmer hinter den Französischen Türen. Seufzend legte Jim auf.
Warum nur hatte sein Partner ein Handy, wenn er es dann zu Hause liegen ließ?

Und warum nur, fange ich immer wieder Stories an bevor ich mir Gedanken mache, wie sie ausgehen könnten?
Jetzt hänge ich schon wieder. Denn, wie erfährt Jim wo Blair ist?
Okay, noch mal Szenenwechsel.




Langsam versuchte Blair sich aufzurichten.
Der Schmerz war kaum zu ertragen, aber er konnte nicht ewig so liegen bleiben. Er hielt den Atem an, drehte sich vorsichtig auf die Seite und zog versuchsweise die Knie an. Arme und Beine konnte er bewegen, ohne dass die Schmerzen stärker wurden. Ein gutes Zeichen.
Er blieb noch einen Moment so liegen, holte dann tief Luft und schaffte es auf Hände und Knie zu kommen.
Sein Versuch aufzustehen wurde sofort von einem Schwindelanfall quittiert. Schwankend tastete er nach Halt und lehnte sich an eine Steinmauer.
Er stand.
Das erste Problem wäre damit gelöst. Zeit, sich um das nächste zu kümmern. Er musste hier raus und er durfte auf keinen Fall dem Mann mit dem Messer in die Arme laufen.

Das Telefon klingelt. Genau im richtigen Moment.

"Ja?"

"Hey, wolltest du nicht heute Nachmittag vorbei kommen?"

Heike! Meine beste Freundin. Die Verabredung mit ihr habe ich total vergessen!

"Ja, ja sicher. Ich ... äh ... muss hier nur noch was fertig machen, dann komme ich sofort."

"Was denn? Moment, du sitzt am Computer, oder? Du schreibst doch nicht wieder irgend so ein Zeug, während du mit mir telefonierst?"

"Na ja eine Art Protokoll unseres Gespräches, damit deine kostbaren Worte nicht verloren gehen und ..."

"Ja, ja, wer's glaubt. Was schreibst du?"

"Ähm ... eine Sentinel Fanfic."

"Sentinel, Sentinel?"

Ich kann förmlich sehen wie Heike die Stirn runzelt und sich zu erinnern versucht. "War das nicht der Typ mit dem sprechenden Auto?"

Haha, netter Versuch mich zu provozieren.
"Genau. Und ich sitze da gerade an einem unheimlich wichtigen Dialog. Weißt du, das Auto befragt in diesem Moment den Hund des Mordopfers. Ich bin mir nur nicht sicher, wie's weitergehen soll. Es ist nämlich so, in der Nähe des Tatorts steht auch eine Litfasssäule und ich denke, die könnte durchaus was gesehen haben. Was denkst du, sollte die sich auch an dem Gespräch beteiligen, oder wär' das irgendwie unpassend?"

"Schreib doch mal was über CSI. Irgendeine Story in der Grissom entführt oder angeschossen wird."

Oder angestochen, angewürgt, angeertränkt ... Kann sie nicht einfach auf meine Frage antworten?
Und CSI! Ein Grissom-Owie. Auch in Vegas gibt es Laternenpfähle und dunkle Löcher. Solange ich nicht auf Details der Forensik eingehen muss ...

"Irgendwann mach ich das vielleicht."

Ganz sicher nicht! Nie!

"Also, wann kommst du?"

"Sobald ich das mit der Litfasssäule geklärt hab.

Auf der Fahrt zu Heike passiert natürlich das Unvermeidliche. Mit den Gedanken selbstverständlich in Cascade/Washington, in irgendeinem unbekannten Kellerloch, kommt mir die Idee! Der geniale Einfall schlechthin zur Rettung meiner eigenen kleinen Welt. Also, Warnblinkanlage an, rechts ran fahren und verzweifelt nach etwas zum Schreiben suchen. Einen Kuli für Notfälle dieser Art habe ich immer im Handschuhfach. Ich beschreibe die Rückseite des Parkscheines von voriger Woche, mein letztes Tempotaschentuch und zu guter Letzt meinen Arm.
Es geht schließlich nicht nur um einen Gedanken, sondern um eine ganze Szene, samt Dialogen.
Das wäre was für die CSI -Story, die ich nie schreiben werde. Im Wald wird die Leiche einer jungen Frau gefunden, ihre Arme sind bedeckt mit seltsamen Sätzen wie: "Blair warf ihm einen langen, nachdenklichen Blick zu und wandte sich dann Schulter zuckend ab." Oder: "Wenn du glaubst, dass ich das tun würde, dann haben wir die letzten drei Jahre wohl aneinander vorbei geredet, Mann."

Okay, Schluss damit, auf zu Heike.




Nochmals wählte Jim die Nummer von Blairs Büro.

"Büro von Blair Sandburg." Eine junge, weibliche Stimme.

"Hi, Jim Ellison hier. Wer spricht denn da?"

"Äh, ich bin Geena Miles. Ich war nur gerade in Mr. Sandburgs Büro und ... äh, er ist nicht da, soll ich ihm was aufschreiben, oder so?"

'Mr. Sandburg´ also anscheinend eine von Blairs Studentinnen.

"Nein, das ist nicht nötig. Haben Sie ihn zufällig in den letzten Stunden gesehen?"

"Hm, komisch das Sie das fragen. Also, ich wollte heute Mittag mit ihm über eine meiner Arbeiten sprechen, es gibt da nämlich einen Punkt, den ich nicht so ganz verstanden habe, wissen Sie, es geht um ..."

Jim seufzte. Lag es an der Luft in der Universität oder am Studienstoff, dass es diesen jungen Leuten nicht gelang sich kurz zu fassen?

Geena unterbrach sich: "Ähm, das interessiert Sie sicher nicht. Okay, ich bin also Mittag in sein Büro und er hat gemeint, dass er jetzt zum Essen verabredet ist und ich soll später wieder kommen. Wir wollten uns dann so um halb drei treffen. Aber er war nicht da. Und, komisch, er hat sein Büro offen gelassen. Das macht er nur dann über Mittag, wenn er Nachmittag wieder kommen will. Damit wir unsere Arbeiten noch auf seinen Schreibtisch legen können. Also, er war seit Mittag nicht mehr hier."

"Und Sie sind sich sicher, dass er zu dieser Verabredung gefahren ist?"

"Ja, ja. Ich hab ihn nämlich gerade noch erwischt, bevor er weg wollte."

"Hat er noch irgendetwas erwähnt, dass er vorher etwas anderes erledigen muss, zum Beispiel?"

Jetzt klang die Stimme eine Spur reserviert und misstrauisch.

"Wer sind Sie, noch mal? Und warum interessiert Sie das?"

"Mein Name ist Jim Ellison ich bin Polizist und ..."

"Polizei? Ist Mr. Sandburg in Schwierigkeiten?"

"Das versuche ich ja gerade heraus zu finden, Geena. Er wollte sich mit mir treffen und ist nicht gekommen. Ich kann ihn nirgendwo erreichen und deshalb möchte ich wissen, ob er noch irgendetwas anderes vorhatte, außer der Verabredung zum Essen."

"Hm, nein ... nein, tut mir Leid. Hoffentlich ist ihm nichts passiert. Ich habe mich wirklich schon gewundert, dass er vorhin nicht da war. Deshalb bin ich noch mal hier ins Büro. Eigentlich hatte ich noch in der Bibliothek etwas nachgelesen und ..."

"Danke, Geena", unterbrach Jim den erneuten Redeschwall.

"Äh, ja, bitte."

"Wenn Ihnen doch noch etwas einfallen sollte, dann rufen Sie mich bitte an."

Jim gab ihr die Nummer des Reviers durch und seine eigene.

"Klar, mach ich. Ich hoffe nur, dass er okay ist."

"Das ist er sicher."

Jim sagte das mit einer Gewissheit in der Stimme, die er nicht einmal ansatzweise spürte. Im Gegenteil. Ein Gefühl und jahrelange Erfahrung was Blairs Begabung anging in Schwierigkeiten zu geraten, sagte ihm, dass es wohl eher ein Wunder wäre, seinen Guide wohlbehalten wieder zu sehen.

So, nachdem dieser Dialog - ja, endlich mal ein Dialog - richtig gut lief, (okay, der letzte Absatz ist sehr melodramatisch, man hört quasi schon den Drama-Bibber in Jims innerer Stimme, aber ... was soll's) stecke ich wieder in der Krise.
Ich hab die Schlussszene im Kopf, bzw. auf Papierfetzen und diversen Körperteilen, aber mir fehlt die Verbindung von Punkt A, Jims Telefonat mit Geena und Punkt C, das tränenreiche Sentinel-Guide-Wiedersehen inklusive der Klärung dieses literarischen Desasters.

Meine Katze springt auf den Schreibtisch, landet genau vor der Tastatur. Millimeterarbeit, wie immer.

"Hey, Micky, was soll denn das? Du darfst das doch nicht, schon vergessen?"

Sie beginnt zu schnurren und rollt sich in meinen Armen zusammen. Nur gut, dass mein Mann das nicht sieht. Sonst müsste ich mir jetzt einen endlosen Vortrag über die Unvereinbarkeit von technischen Geräten und Tierhaaren anhören.

"Weißt du Katze, wenn du schon mal da bist, dann könntest du mir eigentlich einen guten Rat geben, und mir sagen, wie ich hier weitermachen soll."

Sie öffnet ihre Augen einen Spalt und sieht mich mit dieser Mischung aus Arroganz und Hingabe an, die nur eine Katze zustande bringt.
Manchmal glaube ich in diesen unergründlichen grünen Augen einen Abglanz der Weisheit vergangener Jahrtausende zu sehen. Kein Wunder, dass die Ägypter diese Tiere verehrt haben.

"Also, hör zu. Ich fange von vorne an. 'Blair rannte die dunkle Straße entlang. Gehetzt sah er sich um. Der Mann ...´"

Micky gibt einen Laut, halb maunzen, halb knurren von sich und beginnt sich aus meinen Armen zu winden. Sie gähnt, streckt sich und stolziert mit der Eleganz einer Primaballerina davon.

"Was soll denn das, he?"

Sie wirft mir einen undefinierbaren Blick zu, macht kehrt, verharrt kurz vor der Tastatur und streicht, während sie sich umdreht, flüchtig aber unmissverständlich mit ihrer Schwanzspitze über die Escape-Taste. Mit einer fließenden Bewegung springt sie vom Schreibtisch und verlässt lautlos das Zimmer.

'Weisheit vergangener Jahrtausende´. Das ich nicht lache. Man sollte bei niemandem Rat suchen, der Mäuse frisst. Andererseits ... vielleicht ist es wirklich an der Zeit dieses Trauerspiel zu beenden.




Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit.

"Feuerzeug" murmelte er "Ich habe doch ein Feuerzeug dabei."

Sandburg tastete seine Jacke ab und zog schließlich aus einer der Innentaschen den gesuchten Gegenstand. Mit zitternden Händen gelang es ihm nach mehreren Versuchen endlich, eine kleine, unruhig brennende Flamme zu erzeugen. Er erhöhte die Gaszufuhr etwas und nahm seine Umgebung in Augenschein.
Das Loch, in das er gefallen war, entpuppte sich als Zugang zu einem Keller. Irgendjemand hatte anscheinend die Treppe, die zur Straße geführt hatte, entfernt und die Stelle durch morsche Bretter gesichert.
Blinzelnd sah Blair nach oben.

Er saß fest.

In einem Loch, etwa drei Meter fünfzig tief mit glatten Steinwänden.
Er sah sich um, suchte nach einem Ausweg. Links von ihm war eine Tür, die nicht sehr stabil wirkte. Sie ließ sich aber trotz mehrmaliger Versuche nicht öffnen.

"Verdammt, verdammt, verdammt!" Sandburg versetzte der Tür einen frustrierten Fußtritt und löschte dann das Feuerzeug. Das würde er sicher noch brauchen, also sparsam mit dem Gas.
Er hielt den Atem an als er den Klang schwerer Schritte vernahm, die sich langsam aber stetig seinem Gefängnis näherten. Warum nur, hatte er eben solchen Lärm gemacht?

Weil ich es so wollte! Ha! Ich habe die Macht! Die absolute, totale Macht. Bin Herrin über Leben und Tod. Auf mein Wort hin, nein mit ein paar Bewegungen meiner Finger nur, kann ich Leben nehmen und geben, kann Wirbelstürme oder Erdbeben auslösen, oder den Weltuntergang herbeiführen! Und kann Blair unvernünftiger Weise gegen Türen treten lassen.

Da soviel Macht niemandem gut tut, mach ich mal 'ne Pause und wische etwas Staub. Bügeln wäre auch mal wieder fällig. Ich sehe schon den vorwurfsvollen Blick meines Mannes, wenn er am Montag kein Hemd im Schrank hat. Oh, und meine Eltern sollte ich auch anrufen, sonst heißt es wieder: 'Na, du meldest dich auch nur wenn du was brauchst ...´ Und hatte ich vorhin etwas über Macht gesagt? Eine Prise Realität ist immer noch das beste Mittel gegen beginnende Hybris.




Jim verließ den Parkplatz der Universität.
Blairs Volvo war nirgendwo zu sehen, das Büro in Hargrove Hall nach wie vor unverschlossen und leer. Es gab auch keinen Hinweis auf Sandburgs Schreibtisch, keine schnell hin gekritzelte Notiz, die darauf schließen ließ, wo er sich befand.
Der Sentinel beschloss systematisch die Straßen abzufahren, die von Rainiers zu "Pato's Place" führten, wo sie sich hatten treffen wollen. Je näher er dem kleinen mexikanischem Restaurant kam, desto unruhiger wurde er. Keine Spur von Blair oder seinem Auto. Er stoppte bei "Morningside's Book&Pen", einem kleinen Geschäft in dem Blair seine Schreibutensilien kaufte.
Auf Jims Frage, warum er das nicht in einem der Supermärkte tat, hatte er geantwortet:
"Mr. Morningside macht mir immer einen Sonderpreis, weil ich in alles bei ihm bestelle und außerdem, ich mag die familiäre Atmosphäre da. Wusstest du, dass die Morningsides diesen Laden schon in der dritten Generation führen? Mann, das ist ein echter Familienbetrieb. Aber, wie es aussieht, kommen sie gegen die Konkurrenz der Supermarktketten nicht mehr lange an."

Das ist Blairs Beitrag zum Erhalt des Einzelhandels. Hach, der Junge hat aber auch eine soziale Ader, unglaublich. Ich hätte vielleicht noch erwähnen sollen, dass die Morningsides ausschließlich Recycling-Papier verkaufen ...

"Mr. Ellison!" Der beleibte Ladenbesitzer trat lächelnd hinter der Theke hervor. "Das ist aber schön, Sie mal wieder zu sehen. Blair hat Sie sicher geschickt um seine Sachen zu holen. Er ist aber auch so plötzlich weg gewesen, heute Mittag. Ich hatte gerade ..."

"Mr. Morningside, einen Moment bitte. Blair war heute hier?"

"Ja, ja!" Der Mann nickte eifrig. "Ich hatte gerade seine Bestellung zusammengepackt und ..."

"Wann war das?"

"Warten Sie ... Ich denke so gegen halb eins. Er war auf dem Weg zu Pato's und wollte nur schnell seine Sachen abholen. Ich habe mich beeilt, weil er es so eilig hatte. 'Jim wird mich umbringen, wenn ich wieder zu spät komme´.. Das waren seine Worte, ja, ja."

Er zwinkerte Jim zu. "Das haben Sie hoffentlich nicht getan, Mr. Ellison, Blair ist schließlich einer meiner besten Kunden ..."

Jim unterbrach ihn. "Ich brauche ein paar Informationen, Mr. Morningside. Blair ist nicht bei Pato's gewesen. Sie sagten, er sei plötzlich verschwunden. Haben Sie eine Ahnung warum? Oder wohin?"

"Nein, das war ganz seltsam. Ich war gerade dabei seine Hefte und die anderen Sachen in Tüten zu packen und wir haben uns unterhalten. Plötzlich sieht er aus dem Fenster und sagt irgendwas ... hm ... Es klang wie ein Name ... aber, ich kann mich nicht genau erinnern, meine Ohren sind auch nicht mehr so gut ... und dann ist er raus gerannt und nicht mehr zurückgekommen. Ein paar Minuten später habe ich gehört, wie er wegfährt. Ich bin dann noch hinter ihm her, weil er ja seine Sachen vergessen hatte, aber da ist sein Auto gerade um die Kurve verschwunden."

Jim massierte mit Daumen und Zeigefinger seine Nasenwurzel. "Versuchen Sie sich bitte zu erinnern, was genau hat Blair gesagt?"

Morningside schüttelte den Kopf. "Tut mir Leid, Detective ... Aber, warten Sie, ich frage meine Ruth, vielleicht hat sie was gehört, Sie wissen ja, wie die Frauen sind, Augen und Ohren überall ..." Er schlurfte durch eine Tür hinter der Theke in den angrenzenden Raum.

Ja, genau, so sind die Frauen. Augen und Ohren überall um kein wichtiges Detail zu versäumen. Und? Ist doch gut so! Bei der Aufklärung von Verbrechen beispielsweise. Wenn ein Mann einem Polizisten einen Einbruch beschreibt, den er beobachtet hat, klingt das etwa so:

"Also, da hat dieser Typ, könnte aber auch eine Frau gewesen sein- hab nicht so genau hingeschaut -, das Schaufenster eingeschlagen, ist in den Laden und hat sich diesen Stereo-Videorecorder mit Sechs-Kopf-Technik, automatischer Videokopfreinigung, NTSC-Widergabe, Bandlängenerkennung, Show View, Front AV ... Was? Wie er aussah? Na ja, schwarz mit verchromten Füßen ... Ach, der Einbrecher? Puh, ich hab wirklich nicht so genau hingeschaut."

Dasselbe aus weiblicher Sicht:

Der Mann war etwas kleiner als Sie, etwa dreißig, hatte blonde, strähnige Haare, ziemlich ungepflegt. Dann hat er eine verwaschene Jeans getragen, mit einem unordentlich angenähten Flicken auf dem Knie, und ein Sweatshirt. Das war ... hm ... kiwi ... schreckliche Farbe, hat ihm überhaupt nicht gestanden. Von 'Chiemsee' - aber nur ein Imitat, da bin ich mir sicher. Aber die Schuhe! Die waren von Nike - Echte. Wenn sie mich fragen, passte so gar nicht zum Rest des Outfits. Er ist also irgendwie in den Laden rein und mit einem Karton unter dem Arm wieder raus und in's Auto ... Die Marke? ...Oh ... Das weiß ich leider nicht. Es war ziemlich schmutzig.

Also, Morningside, welche Version führt wohl eher zum Ergreifen des Täters, hm?

Das musste ich jetzt loswerden, du Macho-OC, du. Na gut, weiter im Text.

"Ruth!"

Jim hörte das Ehepaar miteinander sprechen und konzentrierte sich auf die Worte, filterte alle störenden Geräusche aus. Er hörte die beiden auf einmal in einer Lautstärke, als würden sie direkt neben ihm stehen. Gleichzeitig schienen die Umrisse der Ladentheke zu verschwimmen und er begann sich auf eine seltsame Weise körperlos zu fühlen. Scharf zog er den Atem ein und regelte sein Gehör auf normal.
Das letzte, was er jetzt brauchen konnte war ein zone-out. Er war müde und die Sorge um Blair tat ihr übriges um ihm die nötige Konzentration zu rauben. Außerdem gab es keinen Grund die beiden zu belauschen. Sie waren auch daran interessiert Blair zu finden.
Er fuhr sich mit den Händen über das Gesicht und versuchte die leichte Benommenheit abzuschütteln.

"Alles in Ordnung, Mr. Ellison?" fragte eine besorgte weibliche Stimme.

Der Sentinel hatte gar nicht gehört, wie die Morningsides den kleinen Verkaufsraum betreten hatten.

"Ja, ja, danke." Er lächelte der zerbrechlich wirkenden Frau mit den schlohweißen, vollen Haaren zu. "Ihr Mann ..."

"Ja, ja ..." sie unterbrach ihn mit einer ungeduldigen Handbewegung. "Nates' Gehör ist nicht mehr das Beste. Blair hat 'Mike Wainwright´ gesagt und dann 'Das kann nicht sein ...´ und ist nach draußen gelaufen."

Wainwright, oh mein Gott! Jim spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. "Sind sie ganz sicher?"

Die alte Frau nickte. "Ja. Aber wer ...?"

Jim unterbrach sie mit einem Kopfschütteln. "In welche Richtung ist er gefahren?"

Mr. Morningside erklärte: "Er ist in die Lincoln Avenue abgebogen. Ich hatte mich schon gewundert, denn er wollte doch zu Pato's."

"War er allein im Auto? Konnten Sie das erkennen?"

"Nein, aber, jetzt da Sie es sagen ... Ich hatte mir gedacht: 'Komisch, Blair fährt heute aber seltsam.´ Wissen Sie, so als käme er nicht mit der Schaltung zurecht. Ich dachte, er würgt den Motor gleich ab."

"Ja!" Ruth nickte bestätigend. "Das war wirklich eigenartig."

Plötzlich weiteten sich ihre Augen.

"Mr. Ellison, vielleicht ist nicht Blair gefahren, sondern dieser Mann, den er gesehen hat. Und er hat Blair entführt."

Sie bedeckte ihren Mund mit einer zitternden Hand.

"Wer ist dieser Wainwright? Ist er gefährlich?"

Jim versuchte ein beruhigendes Lächeln. "Machen Sie sich keine Sorgen. Danke für Ihre Hilfe."

"Bitte, Detective, wenn Sie etwas von Blair hören, rufen Sie uns an, ja?"

Jim nickte nur und verließ den Laden.

Mike Wainwright! Das war unmöglich! Der Mann sollte eigentlich hinter Gittern sitzen. Und wenn Blair ihn tatsächlich durch das Schaufenster gesehen hatte, warum tat er dann so etwas Unvernünftiges und lief ihm hinterher? Es war aber auch typisch Sandburg in eine derartige Situation zu geraten. Es passte so perfekt zu ihm, durch Zufall dem Mann zu begegnen, den er durch seine Aussage ins Gefängnis gebracht hatte und am helllichten Tag von ihm entführt zu werden.

Ja, in Cascade ist alles möglich! Diese Stadt ist Tummelplatz für Psychopathen, Spielwiese ausgerasteter Ex-Soldaten. Motorradbanden und Drogenbosse treiben ihr Unwesen und auch die Russenmafia ist vertreten.

Und irgendwie kreuzen sie alle die Pfade eines gewissen Sentinels und seines Guides. Sogar bis ins Kloster verfolgt sie das Verbrechen, von Campingtrips, Klassentreffen und dem Polizeihauptquartier mal ganz zu schweigen.
Ach, ich liebe diese Stadt, wirklich! Vielleicht sollte ich den nächsten Urlaub dort verbringen.


"Hör zu du kleiner Hippie, du hast wohl gedacht du kannst mir entkommen, ja?"

Die Stimme war nur ein heiseres Zischen, das an das Fauchen eines angreifenden Raubtieres erinnerte.

"Wie es aussieht, habe ich das ja auch erst Mal geschafft. Oder willst du springen? Ich fang dich bestimmt nicht auf, Mann."

Blair biss sich auf die Lippen. Wieder einmal war sein Mund schneller als sein Gehirn.
Wenigstens kehrte seine Erinnerung langsam zurück.
Wainwright hatte ihn geschnappt, kaum dass er aus dem Laden der Morningsides getreten war.
Im Nachhinein verfluchte Blair sich für seinen bodenlosen Leichtsinn. Als er Mike durch das Schaufenster gesehen hatte, war er so überrascht gewesen, dass er ihm, ohne über die Folgen nachzudenken, hinterher gelaufen war. Bis zu dem Moment, in dem Wainwright sich umgedreht hatte, war Blair überzeugt gewesen, dass hier nur eine frappierende Ähnlichkeit bestand.
Dann war es zu spät!
Als das Erkennen in Mikes Augen aufblitzte, ging alles ganz schnell. Blair die Autoschlüssel abnehmen und ihn niederschlagen war Eins. Als er wieder zu sich kam fand er sich gefesselt auf dem Rücksitz seines Volvos wieder.
Ihm war es zwar nach kurzer Zeit gelungen, die Fesseln zu lösen, aber er blieb ein Gefangener in seinem eigenen Auto. Am Steuer Mike Wainwright, der ziellos durch die Gegend fuhr.
Die Entführung war offensichtlich eine völlig ungeplante Aktion gewesen, eine Idee, in dem Moment entstanden, als er Blair wieder erkannt hatte. Undurchdacht, wie so vieles im Leben dieses Mannes.

Genau, eine völlig ungeplante Aktion, wie der Verlauf dieser Story.

Wainwright lief vor dem Loch nervös auf und ab. Schließlich beugte er sich zu Blair hinunter.

"Los, Kleiner, komm da raus!"

"Wenn ich das könnte, Wainwright, wäre ich schon längst draußen, glaub mir."

Nee, der bleibt da jetzt erst mal. Da im Loch ist er gut aufgehoben, kann schön frieren, nach und nach noch ein paar Verletzungen an sich entdecken, vom Blutverlust immer schwächer werden und vielleicht eine Panik-Attacke kriegen, bis er richtig schön fix und fertig und zum ‚Von Jim Gerettet Werden' bereit ist. *Händereib* Ich mag Blair, sehr sogar. Wirklich.

Er holte tief Luft. Vielleicht konnte er den Mann jetzt in ein Gespräch verwickeln, etwas, das ihm während der ganzen Zeit die sie gemeinsam im Auto verbracht hatten, nicht gelungen war. Das Einzige, das er erfahren hatte, war, dass Mike tatsächlich aus dem Gefängnis ausgebrochen war. Angetrieben von Rachegedanken gegenüber denen, die ihn dort hinein gebracht hatten. Blair schien im Moment sein Favorit zu sein, was einen möglichen Vergeltungsschlag anging.
Mike hatte nach einiger Zeit in irgendeiner heruntergekommenen Straße, in einem Vorort Cascades gehalten.
Die Gegend, alte, schon lange nicht mehr benutzte Lagerhallen und Industriebauten, erschien Blair perfekt geeignet für einen Mord und dem anschließenden Verschwinden lassen der Leiche. Deshalb hatte er die erst beste Gelegenheit genutzt und war weggerannt.
Doch anstatt eine Telefonzelle, oder einen Passanten, den er um Hilfe bitten konnte, zu finden, war er in diesem Loch gelandet.

Ja, ja Telefonzellen werden abgeschafft, denn, jeder hat ein Handy. Passanten sind auch nicht mehr so hilfsbereit wie früher, denn, jeder hat ein Handy. Warum sollte man auch jemandem helfen, der selber die Polizei anrufen kann?
Wer sein Handy vergisst, der hat es nicht anders verdient. Wer keins hat sollte sich nicht mehr auf die Straße wagen.
Die einzige Möglichkeit, doch noch die Aufmerksamkeit anderer zu erregen ist der Ausruf: "Hilfe, mein Akku ist kaputt!" Kaputt! Nicht leer! Auf keinen Fall leer! Denn, leerer Akku ist gleich bodenloser Leichtsinn und unentschuldbare Schlamperei, was bedeutet, keine Hilfe.

Er sah nach oben.

"Was hast du eigentlich mit mir vor, Mann?"

Na was wohl, he?

"Na, was wohl, he?"

Sag ich doch. Waaah! Ich denke wie ein Messer schwingender Psychopath!

"Also, du willst mich nicht töten, denn das hättest du schon viel eher tun können. Es wäre auch ziemlich dumm das zu tun, denn dir muss klar sein, dass dann sämtliche Cops von Cascade hinter dir her sind."

'Zumindest einer, und wenn er dich erwischt, dann wird dir der Knast wie der Himmel auf Erden vorkommen,´ versetzte er in Gedanken.

"Du hast mich entführt, aber Lösegeld kommt nicht in Frage, denn, hey, an wen willst du die Forderung richten? Also, was bleibt noch, Mann? Hilf mir auf die Sprünge, ich hab keine Ahnung!"

"Halt die Klappe, verdammt noch mal, okay?", zischte Mike.

"Okay, okay! Schon gut, kein Stress, ja? Warum beruhigst du dich nicht und wir überlegen gemeinsam, was wir jetzt tun? Ich meine, du hast zwei Möglichkeiten. Entweder, du haust ab und lässt mich hier, dann schnappen dich aber früher oder später die Cops, oder du rufst selber die Cops, oder besser noch Detective Ellison, und stellst dich freiwillig. Die zweite Idee ist wohl besser für uns beide, was denkst du, Mann?"

Klar, Blair. Es gibt sogar noch eine dritte, bessere Möglichkeit. Mike ruft Jim an, sucht dann eine Leiter und holt dich da raus. Danach krabbelt er selber in das Loch, schreibt sein Geständnis auf ein Stück Papier, das er zufällig dabei hat und lässt sich dann von Jim festnehmen, sobald er da ist.
Was ich damit sagen will, ist, der letzte Absatz war nicht eben schlau von Blair ... äh ... mir. Aber, ich lasse ihn erst mal so.

Dank des blassen Mondlichts konnte Sandburg erkennen, dass Mike seine unruhige Wanderung beendet hatte. Er blickte zu Blair hinab.

"Schluss mit diesem Psycho-Gequatsche! Dich kümmert es doch einen Dreck was mit mir ist. Sonst hättest du vor einem Jahr auch nicht gegen mich ausgesagt."

Blair seufzte. "Also, Mike, ich habe nur gesagt, was ich gesehen habe. Du hast deine Freundin verprügelt. War das so, oder nicht?"

"Was geht dich das an? Das war meine Sache. Unsere Sache."

"Das hat der Richter aber nicht so gesehen.", bemerkte Blair trocken.

Mach nur so weiter, Sandburg. Wirst schon sehen, was passiert, wenn du den Messer-Mike so reizt.

"Um den kümmere ich mich auch noch! Nachdem ich diese Schlampe fertig gemacht habe!"

"Mike, sei doch vernünftig! Du bist jetzt 22. Was hast du vor? Weglaufen? Wie lange?"

Wainwright gab ein zustimmendes Grunzen von sich.

"Ich geh nicht wieder in den Knast. Ich geh über die Grenze, nach Kanada. Und dich nehme ich mit, als meine Geisel."

Blair schüttelte den Kopf. Das mit Kanada war wohl auch so ein Spontaneinfall, sonst wäre er gleich Richtung Norden gefahren.

"Denk doch mal nach, Mann. Die suchen dich sicher schon. Was glaubst du wie weit du kommst? Und außerdem, deine Geisel sitzt hier fest."

"Ich hol dich da jetzt raus!"

Blair seufzte erneut. Keine der beiden Möglichkeiten gefiel ihm besonders. Hier in dem Loch sitzen, war nicht angenehm, mit einem flüchtigen Verbrecher nach Kanada aufbrechen auch nicht.
Inzwischen zitterte er vor Kälte.
Wenigstens hatten die Schmerzen etwas nachgelassen, obwohl jede Bewegung nach wie vor weh tat, von dem Pochen in seinem Kopf einmal ganz abgesehen.
Mike war ein gewalttätiger, jähzorniger junger Mann, aber er war nicht dumm. Vielleicht gelang es Blair zu ihm durchzudringen, an seine Vernunft zu appellieren. Vielleicht.

"Mike, bitte, das was du da vorhast ...!"

"Nein! Maul halten! Ich will nichts mehr hören! Noch ein Ton und ich stech' dich ab! Ich schlitz' dich auf, ich schwör's!"

Wie um seine letzten Worte zu unterstreichen, hob er das Messer und ließ es mit einer unmissverständlichen Geste durch die Luft sausen. Dabei trat er näher an das Loch. Er schwankte ein wenig, als er seinen Fuß auf eines der herumliegenden Bretter setzte. Blair spürte, wie Sand und Erde auf seinen Kopf rieselte.

"Mike, Vorsicht ...!"

Doch es war zu spät! Wainwright verlor das Gleichgewicht, ruderte einen Moment hilflos mit den Armen und rutschte dann inmitten einer Lawine aus Sand und Holzsplittern nach unten.
Instinktiv wich Blair so weit wie möglich zurück, wandte sich ab und zog seine Jacke über das Gesicht um sich vor dem Staub zu schützen. Als er wieder aufblickte, konnte er die massige Gestalt Mike Wainwrights zu seinen Füßen liegen sehen. Der Mann rührte sich nicht.

"Hey, ich habe dich was gefragt!"

"W-was?" Erschrocken zucke ich zusammen und drehe mich um. Ist Wainwright etwa auf wundersame Weise meiner Story entsprungen und manifestiert sich jetzt vor meinem Schreibtisch?
Ich atme erleichtert auf. Es ist nur Holger, mein Mann.

"Ich habe gefragt, wann du fertig bist, ich würde nämlich gerne was essen."

"Ja, ja, gleich."

Wo war ich stehen geblieben? Ach ja ...

Blair wartete, bis sich der Staub etwas gelegt hatte und näherte sich dann der seltsam verkrümmt daliegenden Gestalt. Bevor er ...

"Was schreibst du eigentlich?"

"Was?" Genervt blicke ich auf.

Du hast da zweimal hintereinander 'Gestalt´ geschrieben. Das klingt nicht so gut."

"Ach ja?"

"Ja!"

Ich hasse es, wenn mir jemand beim Schreiben über die Schulter schaut und ich hasse, hasse, hasse es, wenn dieser Jemand dann noch derartige Kommentare abgibt und noch dazu Recht hat.

"Ich bin auch noch nicht fertig. Das ist die ... Rohfassung."

"Okay! Müssen wir mit dem Essen warten, bis Jim Blair aus dem Loch befreit hat, oder geht es auch vorher?"

Seufzend speichere ich den Text und sage: "Wir können natürlich vorher essen. Ich habe nämlich noch keine Ahnung, wie Jim Blair findet. Ich hatte zwar so eine Idee, aber die gefällt mir nicht mehr besonders. Du kannst dir das hier ja mal durchlesen, vielleicht fällt dir ja was ein."

Damit ziehe ich mich an den Herd zurück.
Nach ein paar Minuten kommt Holger in die Küche. Ein arktischer Blick aus eisblauen Augen trifft mich.

"Du hast die Katze auf den Schreibtisch gelassen!"

"Nee, mach ich nie!"

"Ich hab's grad gelesen."

"Das ist nur eine Story, eine Fanfic, kein Erlebnisbericht. Alles erfunden."

"Aha!"

"Hm, zum Beispiel das Gespräch, das wir jetzt führen. Findest du es realistisch, dass du dich nach der Arbeit ernsthaft mit einer meiner Stories beschäftigst, anstatt vor dem Fernseher zu versacken?"

"Da ist was Wahres dran."

"Also ..."

"Also?"

"Das Meiste ist niemals so passiert. Einschließlich Katze auf Schreibtisch."

"Hm, da wir demnach dieses Gespräch nie geführt haben, führen, oder führen werden, interessiert es dich sicher auch nicht, dass ich die Lösung deines Problems gefunden habe ..."

"Oh, doch, doch, doch!"

Er lächelt geheimnisvoll. "Du hast sie quasi eingebaut. Und Blair hat sie auch schon entdeckt. Anscheinend sind wir beide dir einen Schritt voraus. Was gibt's eigentlich zu essen?"

Ich werfe ihm einen vernichtenden Blick zu.

"Straußen-Chili und hinterher faulige Datteln mit Ahornsirup."

Wenn mein Mann sich schon mit einem der Charaktere meiner Story gegen mich verbündet, soll er auch in den zweifelhaften Genuss der Rezepte eben dieser Person kommen.




Jim stieg aus dem Auto und ging auf die zwei Streifenpolizisten zu, die neben dem grünen Volvo standen. Von dem Zeitpunkt, als Ellison den Laden der Morningsides verlassen hatte, bis zur Meldung, dass Blairs Wagen im East-Drive gefunden worden war, war kaum eine halbe Stunde vergangen. Ein Telefonat mit Captain Banks hatte Jim bestätigt, dass Mike Wainwright tatsächlich seit gestern auf der Flucht war.

"Ich habe gerade die Bestätigung von dem zuständigen Staatsanwalt erhalten, Jim."

"Warum, bitte, hat uns niemand Bescheid gesagt, dass Wainwright ausgebrochen ist?"

"Beruhigen Sie sich. Es gab keinerlei Hinweise darauf, dass er sich an dem Zeugen, der in seinem Prozess ausgesagt hatte, rächen will. Und seine Ex-Freundin, die er damals so übel zugerichtet hat, lebt inzwischen in Kalifornien. Sandburg kannte die Frau nur zufällig. Das war nie unser Fall. Also, kein Grund für die zuständigen Stellen, uns zu benachrichtigen."

"Ich weiß, Simon, aber jetzt ist es mein Fall. Wainwright hat Blair schon seit ein paar Stunden in seiner Gewalt."

Ach, am Liebsten wäre es mir, wenn Jim jetzt so was sagen würde wie: 'Und wenn er ihm auch nur ein Haar krümmt, dann Gnade ihm Gott, denn ich kenne keine Gnade!
Ich werde dann jeden verdammten Stein in dieser verdammten Stadt umdrehen, bis ich diesen verdammten Hurensohn finde und wenn es das verdammt Letzte ist, was ich tue! Verdammt noch Mal!

Aber, na ja, das hier ist eine Sentinel-fanfic und kein Crossover mit 'Dirty Harry'

"Haben Sie nicht auch manchmal das Gefühl, als würde der Junge mit einem Schild um den Hals herumlaufen auf dem steht: "Bitte entführt mich"?

Als Jim nicht reagierte, fügte er hinzu: "Okay, die Fahndung ist draußen. Nach Wainwright, Sandburg und dem Volvo. Wir finden ihn schon."

"Ich fahre weiter die Gegend ab, vielleicht entdecke ich etwas."

Schon kurz darauf kam die Meldung von einer Polizeistreife, die Blairs Auto gefunden hatte. Verschlossen, ohne erkennbare Schäden, stand es auf dem Parkplatz einer ehemaligen Kleiderfabrik. Mit dem Ersatzschlüssel, den er an seinem Schlüsselbund trug, öffnete Jim das Auto. Keine Spuren eines Kampfes, kein Blut.

"Wo steckst du nur, Chief?" murmelte Jim und ließ seinen Blick die Straße entlang schweifen.




Sandburg kniete neben dem reglosen Mann und tastete mit zitternden Fingern nach dem Puls. Schwach, aber gleichmäßig. Er war bewusstlos. Vorsichtig zog Blair ihm die Schlüssel für den Volvo aus der Jackentasche und steckte sie ein.
Das Messer war nirgendwo zu sehen. Anscheinend hatte Mike es bei dem Sturz verloren und es lag jetzt unter ihm begraben. Was nun? Sollte er Mike bewegen oder nicht? Stabile Seitenlage, damit er nicht erstickte? Was aber, wenn er Rückenverletzungen hatte?
Ein Schauder durchfuhr ihn. Die Kälte des Bodens schien in ihm hoch zu kriechen.

"Ich muss wieder aufstehen", murmelte er.

Noch vor ein paar Minuten hatte er sich hellwach gefühlt, seine Schmerzen wie weggeblasen, doch jetzt begann die Wirkung des Adrenalins nachzulassen und die Müdigkeit holte ihn ein. Schwindel erfasste ihn, als er sich wieder aufrichtete.

Erst Mal tief durchatmen. Ein ... aus ... ein ... Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür ...

Die Tür! Natürlich! Wie konnte ich die nur vergessen! Ich hatte sie doch "eingebaut" so zu sagen. Das ist die Lösung, klar! Sie lässt sich zwar nicht öffnen, aber ...

... und schloss die Augen.

Auf einmal war es ihm, als hätte er ein Geräusch gehört. Schritte! Auf der anderen Seite der verschlossenen Tür hinter ihm. Er drehte sich um und hämmerte mit den Fäusten gegen das unnachgiebige Holz.

"Hallo! Ist da jemand?"

"Ja! Sind ... sind Sie da draußen? Oh mein Gott, Sie sind in das Loch gefallen, oder? Ist alles in Ordnung? Geht es Ihnen gut? Ich habe Grandpa schon tausend Mal gesagt, es soll das besser absichern ..."

In der Stimme des offensichtlich jungen Mannes auf der anderen Seite schwang Panik mit. Blair lehnte die Stirn gegen das Holz und bemühte sich möglichst ruhig zu antworten.

"Schon okay! Können Sie diese Türe offnen?"

"Nein ... nein. Hier steht ein Regal davor und ... anderes. Dieser Eingang wird schon ewig nicht mehr benutzt. Es ist sowieso ein totaler Zufall, dass ich gerade hier unten bin. Wir benutzen diesen Teil des Kellers nur als Abstellkammer. Ich kann versuchen ... nein, nein, das geht nicht ..."

"Hören Sie ... äh ... wie ist ihr Name ...?"

"Sean."

"Okay, Sean. Ich bin Blair Sandburg. Rufen Sie sofort einen Krankenwagen, ich habe hier einen Bewusstlosen. Er hat vermutlich Kopf- und Rückenverletzungen. Dann rufen Sie die Polizei und lassen sich zu Captain Banks oder Detective Ellison durchstellen. Abteilung 'Major Crimes'. Sagen Sie, dass ich von Mike Wainwright entführt worden bin. Geben Sie einfach die Adresse hier durch und erklären Sie die Situation. Und dann wäre es schön wenn Sie eine Leiter oder so organisieren könnten."

"O-okay!"

Blair ließ den Jungen noch einmal die Nachricht wiederholen.

"Gut, ich hab's kapiert. Hey, sind Sie ein Cop? Ich meine, das mit diesem ... diesem Loch, und den Brettern, also, das war nur ein Provisorium und ..."

"Sean, bitte, tun Sie einfach, was ich Ihnen gesagt habe."

"Ja, klar ... bis gleich!"

Blair setzte sich wieder. Er hatte das Gefühl keinen Augenblick länger stehen zu können.

Schade, er ist schon zu erledigt um noch so richtig dramatisch in Panik zu geraten.

Erschöpft zog er die Knie an den Leib und umschloss sie mit den Armen. Ein Blick auf den reglosen Körper, der nur einen Meter von ihm entfernt lag, bestätigte ihm, dass der Mann sich nach wie vor nicht bewegt hatte.
Eigentlich sollte er noch einmal überprüfen, ob er noch atmete.
Später.
Jim würde gleich kommen und ihn hier herausholen.

Genau, Jim schlüpft in sein Sentinel-Cape, ruft die Sonderfunktionen in seinem Pick-up auf, der daraufhin Farbe und PS verändert und düst durch die Straßen Cascades.

Mit dem Gedanken im Sinn ließ er seinen Kopf auf die Arme sinken und schloss die Augen.
Nicht einschlafen ...




"Sandburg ... Blair! Komm schon, Zeit, aufzuwachen!"

Ellison legte seinem Partner eine Hand auf die Schulter und drückte sie sanft.

"W-was?" Blair öffnete nur kurz die Augen, sein Blick wirkte unfokussiert. Jim hatte das Gefühl, als würde sein Freund durch ihn hindurch sehen.

"Bist du okay?"

"Hmm. Mir ist kalt."

"Warte ..."

Jim ließ sich von einem der Sanitäter, die ein paar Meter hinter ihnen gerade damit beschäftigt waren Mike Wainwright auf eine Trage zu betten, eine Decke geben und legte sie Blair um die Schultern. Dann ging er vor ihm in die Hocke und versuchte es erneut:

"Schau mich an."

"Hm?"

Er hielt seine Hand hoch.

"Wie viele Finger siehst du?"

Blair blinzelte und murmelte: "Fünfzehn, können aber auch ein paar mehr sein."

"Sandburg ...!"

"Ja, ja, drei."

Jim musste lächeln. Erleichterung durchflutete ihn. Sagte man nicht immer, Kinder und Betrunkenen hätten einen besonderen Schutzengel?
Anscheinend traf das auch auf Polizei-Beobachter mit der Begabung sich in Schwierigkeiten zu bringen zu. Angesichts Blairs Kopfverletzung unterdrückte er den Impuls ihm freundschaftlich durchs Haar zu fahren.

"Komm, du Witzbold. Kannst du aufstehen? Dein Kopf sieht ziemlich übel aus."

Eigentlich könnte der Dialog jetzt so lauten:

"Nein, Mann, mit mir geht es zu Ende. Lass mich hier liegen, ich bin nur eine gottverdammte Last für dich. Sag Maja, Emily, Samantha, Christine und all den anderen, an deren Namen ich mich jetzt nicht mehr erinnere, dass ich sie immer geliebt habe."

"Sag es ihnen selber, Blair! Ich hol dich hier raus, bei allem was mir heilig ist, ich schwör's! Du darfst nicht aufgeben! Du bist noch zu jung zum Sterben! Du hast noch dein ganzes Leben vor dir ...!"

"Ich sehe schon das Licht, Jim. Es ist so wunderschön, so friedlich ..."

"Nein! Neeeiiin!"

"Jim, auch dich habe ich immer geliebt, dich ganz besonders, du warst wie ein Bruder für mich, na ja, Halbbruder oder Stiefbruder, vielleicht ..."

"Hör auf so zu reden. Blair!"

"... und Simon und Daryl und Naomi und ..."

"Blair!"

"... Rafe und Joel und Brown ..."

"Chief, nein!"

"... und alle, die mich kennen. Und ich wünsche mir "White Flag" von Dido ..."

Ich sollte beim Schreiben *wirklich* nicht das Radio laufen lassen.

"Jim?"

"Ja!"

"Was ist mit Wainwright ...? Wo ...?"

Jim warf einen Blick hinter sich. Die Trage mit dem immer noch Bewusstlosen wurde bereits nach oben gezogen.

"Er hat vermutlich innere Verletzungen. Sie schaffen ihn ins Krankenhaus und dann wieder ins Gefängnis, wo er hingehört."

"Das Messer! Wainwright hatte ein Messer, es liegt hier irgendwo."

"Morgen früh, sobald es hell wird, geht die Suche los. Die Bauaufsicht interessiert sich bestimmt auch für diese Menschenfalle hier."

"Mann, Menschenfalle ist gut."

Jim lächelte und half seinem Partner aufzustehen. Blair schwankte etwas, schloss krampfhaft die Augen und hielt für einen Moment den Atem an.
Jim legte ihm die Hände auf die Schultern und hielt ihn fest. Eingehend musterte er das blasse Gesicht vor sich. Die Kopfwunde war nicht tief und blutete auch nicht mehr. Blair zitterte leicht, schien aber sonst in Ordnung zu sein. Der Puls war regelmäßig.

"Vorsichtig, einen Schritt nach dem anderen. Schaffst du's die Leiter hochzuklettern? Wenn nicht, legen wir dich auch auf eine Trage und ziehen dich rauf."

Blair schüttelte den Kopf, hielt in der Bewegung inne und verzog das Gesicht.

"Solange ich meinen Kopf nicht bewegen muss ... Ansonsten, um hier wieder raus zu kommen, lasse ich mir sogar Flügel wachsen, wenn es sein muss! Ich ... ich brauche nur noch einen Augenblick ... ich ..."

Er wurde noch eine Spur blasser und Jim hörte, wie sein Herz zu rasen begann.

Könnte er nicht doch noch eine Panikattacke bekommen? Eine winzigkleine, vielleicht?

"Tief durchatmen, ein ... aus ..."Ellison versuchte den beruhigenden Tonfall seines Guides nach zu ahmen, mit dem er ihn aus einem Zone holte.

Blair lehnte sich mit geschlossenen Augen an das massive Holz der Türe.

"Ich bin okay, ich bin okay." murmelte er. Es klang wie ein Mantra. "Mir ist etwas schwindelig und mein Kopf tut weh, aber das ist kein Wunder."

Er öffnete die Augen wieder und atmete tief durch.

"Der Tag hier landet eindeutig auf Platz eins meiner persönlichen Shit-Liste. Ich wurde niedergeschlagen, entführt, gefesselt, mit einem Messer bedroht und bin dann in dieses ... dieses Loch gefallen. Sogar für meine Verhältnisse etwas viel."

Er lächelte und Jim schien es, als würde die Umgebungstemperatur um ein paar Grad steigen. Unwillkürlich erwiderte er das Lächeln. Ihre Blicke tauchten ineinander und Jim erkannte hinter der Maske des üblichen scherzhaften Geplänkels, wie erschöpft Blair wirklich war. Er sah, wie die Augen seines Freundes sich weiteten und hörte seine Stimme wie durch Watte.

"Hey, Jim, bleib bei mir, okay! Kein guter Moment zum zonen."

Wieder mal ein - Wie hat Pat an anderer Stelle so schön gesagt? - 'Für den Storyverlauf eigentlich überflüssiges "fast"- zonen´. *g*

Warum ich das einbaue? Also, manchmal vergesse ich einfach, dass Jim ein Sentinel ist. Tatsächlich.
Okay, ich weiß, die Serie heißt "Der Sentinel ,und das ist eine Sentinel - Fanfic, aber, ich denke oft nicht daran, Jims Fähigkeiten in meinen Stories zu verwenden. Dann fällt mir irgendwann beim Schreiben siedendheiss ein, dass Jim noch gar nichts, oder nicht genug, erspäht, erschnüffelt, ertastet, erschmeckt oder erhört (nicht einmal mein Flehen um sinnvolle Wendungen in der Story) hat. Panikartig beschließe ich daraufhin die komplette Story zu löschen, umzuschreiben, oder - genau -lasse Jim ein bisschen zonen.
So wie jetzt.

Außerdem mag ich diesen Anflug von Panik in Blairs Augen wenn das passiert, und Jims leicht abwesenden Blick. Na gut, der hängende Unterkiefer müsste nicht sein. Das nur am Rande.

Jim schüttelte die leichte Benommenheit ab und rieb sich mit der Hand über das Gesicht.

"Entschuldige. Auch nicht gerade mein bester Tag."

"Wem sagst du das."

"Komm, verschwinden wir hier. Ich bring dich ins Krankenhaus. Die sollen sich deinen Kopf ansehen und dann fahren wir nach Hause."

Gemeinsam kletterten sie die Leiter hinauf.
Der Krankenwagen, in dem Wainwright transportierte wurde, war bereits weggefahren.
Einige Schaulustige hatten sich eingefunden. Jim fand es immer wieder erstaunlich, dass manche Menschen ein Gespür dafür hatten, genau im richtigen Moment an einem Tatort zu erscheinen. Zu spät um noch sinnvolle Hilfe leisten zu können, aber früh genug um wenigstens einen Hauch der Katastrophe zu erhaschen.

Das ist die Message der Story, übrigens. Nicht gaffen - helfen.

Die umstehenden Personen ignorierend, dirigierte Ellison seinen Partner an einigen Streifenwagen vorbei zu seinem Truck.

"Hey, Moment, warten Sie bitte!"

Ein junger Mann löste sich aus der Gruppe der Beobachter und lief auf die beiden zu. Er war etwa zwanzig, sein hellblondes Haar stand in alle Richtungen ab. Unschlüssig blieb er stehen und bohrte seine Hände in die Hosentaschen. Blair warf ihm einen auffordernden Blick zu.

"Äh ... hi, ich bin Sean. Ich ... ich wollte nur fragen, ob Sie okay sind."

Blair lächelte.

"Ich lebe noch. Danke, Sean, fürs Anrufen. Wenn Sie nicht gewesen wären, würde ich wohl immer noch da unten sitzen."

Der junge Mann errötete leicht.

"Schon okay. Tut mir Leid, dass Ihnen das passiert ist. Ja, also, man sieht sich."

Er wirkte verlegen, schien noch etwas sagen zu wollen, ging dann aber weiter.

"Anscheinend fühlt er sich irgendwie verantwortlich. Das war nämlich das Loch seines Großvaters in das ich gefallen bin", erläuterte Blair.

Jim konnte nicht anders, als laut auflachen angesichts dieser Formulierung und der Ernsthaftigkeit mit der Blair sie vortrug.

"Was? Was ist?"

"Schon gut. Lass uns fahren! Unterwegs will ich hören, wie es dich vom Laden der Morningsides - bis dahin konnte ich nämlich deine Spur verfolgen - ins Loch von Seans Großvater verschlagen hat."

So und ich habe etwas vergessen. Jemanden, genauer gesagt.

Jade!

Die liebe Jade, die mir immer so aufbauendes Feedback schickt. Mal ganz zu schweigen von den anderen interessanten Sachen, die sie so zu erzählen hat. Sie wollte eine Liebesgeschichte für Jim. Die ich hier irgendwie einbauen wollte.
Jetzt ist es zu spät!
Gelegenheiten gab es.
Da war zum Beispiel Geena Miles. Aber, hm, nicht Jims Typ. Redet zu viel und ist außerdem klein, pummelig und hat rote und blaue Strähnen in ihren platinblonden Haaren.
Dann hätten die Morningsides durchaus eine Tochter haben können. Aber, in der Situation, Blair in den Händen eines flüchtigen Verbrechers, denkt ein James Ellison nicht daran sich zu verlieben.
Sean! Oh nein, nicht dass sich Jim in Sean verliebt ... aber, seine ältere Schwester Colleen, die einen gut aussehenden Mann schon fünf Meilen gegen den Wind riecht, hätte just in dem Moment auftauchen können, in dem Jim zu Blair ins Loch hinabsteigt.
Gefällt mir aber nicht so.
Jim ist nicht der Typ, der mal eben schnell zwischen Krankenwagen und OP-Tisch Telefonnummern austauscht. Das passt eher zu Blair. Intubiert, Fusionsschläuche im Arm, den ganzen Körper im Gipsbett, schafft er es sicher noch, seinen Zeigefinger in sein eigenes Blut getaucht, die Worte "Ruf mich an" einschließlich seiner Telefonnummer auf das blütenweiße Krankenhauslaken zu kritzeln.
Aber, nicht Blair, sondern Jim sollte sich verlieben.
Tut mir Leid, Jade, ein anderes Mal.
Aber, da ich gerade so schön Rückblick halte ...

"Oh Mann, die Morningsides! Die werden sich auch sonst was gedacht haben, als ich einfach verschwunden bin. Und ich habe meine Sachen im Laden liegenlassen. Die muss ich noch holen, einiges davon ist sehr wichtig. Und, Jim, mein Auto ... ich brauche unbedingt mein Auto. Wo steht es eigentlich? Ich habe völlig die Orientierung verloren ..."

Jim öffnete die Türen des Trucks und sagte, während sie einstiegen.

"Erst Mal Krankenhaus und dann sehen wir weiter. Du musst auch noch deine Aussage machen. Aber das kannst du morgen erledigen."

"Okay." Blair drückte sich tiefer in den Sitz. "Heute käme auch nichts mehr bei raus."

Er gähnte.

"Schlaf nicht ein, Chief. Du schuldest mir noch den Bericht deines neuesten Abenteuers."

"Abenteuer. Darauf kann ich verzichten, Mann. Also, als ich heute Mittag ..." Sandburg begann enthusiastisch, von Gesten begleitet, zu erzählen. Die Müdigkeit schien vergessen.

Jim lächelte. Er hörte nur mit halbem Ohr zu. Ihm ging es nicht wirklich darum, zu erfahren, was sich wann zugetragen hatte. Das Meiste konnte er sich zusammenreimen und den Rest würde er morgen hören.
Er genoss es einfach dem Klang von Blairs Stimme zu lauschen und aus dem Augenwinkel sein ausdrucksvolles Minenspiel zu beobachten.

Jaaa, das kann ich nur zu gut verstehen. Ist das jetzt eigentlich pre-slash? Oder sind Jims Gedanken nur freundschaftlicher Natur? *grübel*

Ihm war klar, dass ein Teil davon aufgesetzt war. Sandburg war müde und er hatte Schmerzen. Aber trotzdem verwendete er seine verbliebene Energie darauf, seinem Partner auf diese Weise zu versichern, dass es ihm gut ging, dass kein Grund zur Sorge bestand.
Es funktionierte. Jim spürte, wie die Anspannung von ihm abfiel. Es war alles gut gegangen.
Bald schon wären sie zu Hause.
Was konnte man mehr erwarten?

So, und jetzt kommt das Wort, dass ich am allerliebsten mag. Zumindest bei einer Fanfic, die ich schreibe. Beim Lesen ist es das Wort, das mir am wenigsten gefällt.
Hier ist es:

--ENDE--

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