Kapitel 3


Das Geheul der Sirenen schallte durch das gesamte Viertel. Abrupt hielten drei Wagen vor dem verlassenen Fabrikgebäude. Sofort stiegen die Insassen aus und rannten mit vorgehaltener Pistole zu einem der Eingänge der großen Halle. Die Türe war zur Verwunderung der Beamten nicht abgeschlossen.

Vorsichtig schlichen sie hinein, schalteten das Licht an und nahmen sich schrittweise die einzelnen Sektionen der Halle vor. Aber es war keine Menschenseele zu finden.

Jim konzentrierte sich auf seinen Gehörsinn. Und tatsächlich, er konnte einen Herzschlag vernehmen. Er war unregelmäßig, aber stabil.

"Simon, ich bin oben."

Der Captain nickte und wies die anderen Beamten an, die Fabrik weiter zu durchsuchen. Aber der Sentinel wusste, dass es nichts bringen würde, es war nur diese eine Person im Gebäude.

Er rannte die Stufen zur oberen Etage hoch und folgte seinem Gehör. Von hinten kam jetzt Simon. Jim steckte seine Waffe weg und lief zwischen den Maschinen entlang zum westlichen Teil des Gebäudes, Simon ihm dicht auf den Versen.

"Sandburg?!" Jim blieb kurz stehen um den Herzschlag seines Freundes neu anzupeilen.

"Was ist?", fragte Simon keuchend. Der Sentinel hatte ein ganz schönes Tempo drauf.

"Hier entlang."

Sie liefen zum Ende eines Ganges und bogen dann in einen weiteren ab. Plötzlich sah sich Jim seinem angeschlagenen Partner gegenüber.

"Sandburg!" Jim kam zu ihm herbeigeeilt. Dieser wich verschreckt zurück und schrie wie am Spieß. "Weg man, bleibt bloß weg von mir!"

"Hey Häuptling, wir sind's." Jim näherte sich behutsam. Er hob beruhigend seine Arme. Er hatte keine Ahnung, was der Bastard mit ihm angestellt hatte, aber der Junge schien total verwirrt und wusste scheinbar nicht, wer er war.

"Ich habe sie gewarnt, sie sollten verschwinden, aber sie sind überall!", krächzte Blair mit vibrierender Stimme.

Der Sentinel kam weiter einige Schritte auf ihn zu und sprach sanft zu ihm: "Wer ist überall, Blair?"

"Na, die Feuermenschen! Sie tanzen auf und ab, als wollten sie sich über uns lustig machen!" Der junge Anthropologe sprang mit einem Satz auf eines der Fließbänder. Er versuchte offensichtlich so seinen Halluzinationen zu entweichen.

Jim runzelte besorgt und zugleich überrascht die Stirn: Feuermenschen. Das kannte er von früher. Das letzte Mal, als Blair davon sprach, hatte er eine Dosis der Droge Golden intus. Es sah ganz so aus, als hätte man ihm erneut die Droge verabreicht.

"Blair, wenn Sie darunter kommen, können wir einen gemeinsamen Weg finden sie zu bekämpfen. Sie werden sehen, zusammen verjagen wir die Feuermenschen!" Jim hielt seinem verwirrten Partner freundschaftlich seine Hand entgegen.

Von hinten beobachtete Simon das ganze Schauspiel, griff aber nicht ein. Er wusste, dass Jim dem Jungen jetzt am besten helfen konnte.

"Ich gehe da auf keinen Fall wieder runter, man!" Der junge Polizeiberater kletterte weiter an einigen Maschinen und Kränen hoch. Scheinbar neutralisierte die Droge seine Höhenangst.

Simon konnte nicht glauben, was er sah, nur ein Ausrutscher und er Junge würde mehrere Meter tief fallen. "Sandburg!"

"Ok, ich gehe hoch, Simon." Jim zog sich seine Jacke aus und begann ebenfalls an den Maschinen hochzuklettern.

"Jim, Sie nicht auch noch!" Der Captain fasste sich ratlos an seinen Kopf.

Blair kauerte jetzt auf einem Querbalken, der nur wenige Meter unterhalb der Decke verlief. Der Sentinel näherte sich ihm vorsichtig und redete ruhig auf ihn ein. "Häuptling, Sie sollten jetzt wieder runterkommen, sonst fallen Sie mir hier noch runter."

Jim hatte seinen Guide erreicht und lehnte sich gegen einen weiteren Balken. Behutsam legte er seine Hand auf die Schulter des Jungen und bemerkte erleichtert, dass dieser nicht zurückschreckte.

"Blair? Kommen Sie, die Feuermenschen tun Ihnen nichts, ich sorge dafür."

Der junge Anthropologe blickte ihn mit glasigen Augen an. Seine Stimme vibrierte und klang weinerisch, verzweifelt. "Ich weiß, dass die nur darauf warten!"

Dennoch begann er wieder zurückzuklettern. Jim folgte ihm sofort und versuchte ihn mit einem kräftigen Arm zu halten. Zügig kletterte er an seinem Freund vorbei, damit er ihn falls nötig von unten stützen könnte.

Wie durch ein Wunder kamen sie beiden unbeschadet unten an. Simon hatte die ganze Szene angespannt beobachtet und kam den beiden zur Hilfe. Der Junge schloss kurz die Augen, aber blieb wacker auf den Beinen.

"Geht's Sandburg?", fragte Simon besorgt.

"Prima", flüsterte Blair und sackte im gleichen Moment in sich zusammen. Jim griff nach seinen Armen, damit der Junge nicht zu Boden fiel und brachte ihn sanft zu Boden. Er fühlte kurz an seiner Stirn und wurde in seinen Befürchtungen bestätigt: Blair hatte hohes Fieber.

Simon schrie nach unten, man solle einen Krankenwagen rufen.

Jim knöpfte vorsichtig das Flanellhemd seines Freundes auf. Er tastete die rotangeschwollenen Stellen am Bauch und Oberkörper ab um zu untersuchen, ob innere Blutungen vorlagen.

Blair murmelte einige unverständliche Worte, es bereitete ihm scheinbar Schmerzen.

"Pscht, Häuptling. Sie haben ein paar gebrochene Rippen, versuchen Sie sich zu entspannen." Jim sprach sanft und ruhig. Er zog das Hemd wieder zusammen.

"Ses vorbei?", stammelte Blair, ohne seine Augen zu öffnen. Er hob seine Hand um zu ertasten, wo sein Freund sich befand.

Jim nahm seine Hand und drückte sie leicht, um seinem Kumpel zu zeigen, dass er bei ihm war. "Es ist vorbei Blair, Sie sind jetzt in Sicherheit. Wir bringen Sie in ein Krankenhaus und nächste Woche haben Sie eine Telefonnummer einer Krankenschwester mehr."

Der junge Anthropologe musste kurz grinsen. Das klang tatsächlich nach seinem Freund. Nach einer Weile hörte er Sirenen näher kommen und die Welt um ihn herum begann zu verstummen.




Cascader Krankenhaus - gegen 22:30 Uhr

Vorsichtig lugte Jim durch die Tür des Krankenzimmers seines Freundes. Er hatte zuvor die ganze Zeit im Wartesaal verbracht.

Die Ärzte hatten ihm gerade über den Gesundheitszustand seines Partners informiert: Zwei gebrochene Rippen und die rechte Lungenhälfte war leicht gequetscht. Er hatte zwar Fieber, aber das war mittlerweile wieder zurückgegangen. Das Golden würde wahrscheinlich noch Tage brauchen, bis dass es wieder aus seinem Organismus völlig entwichen war.

Jim konnte sich noch sehr gut daran erinnern, wie er früher neben Blairs Bett saß, nachdem der Junge das erste Mal mit der Droge in Kontakt kam. Schon damals hatte der junge Anthropologe schwer damit zu kämpfen.

Seufzend platzierte sich der Sentinel auf den beistehenden Stuhl. Kurze Zeit später kam auch Simon herein und nickte kurz. Er hatte noch mit dem zuständigen Arzt gesprochen.

"Simon, eins verstehe ich nicht, wieso das Ganze? Was für einen Sinn soll diese Aktion gehabt haben?" Jim schüttelte betrübt den Kopf. "Da kommt noch was, der Clou folgt erst noch. Aber das war alles so verdammt sinnlos!"

Der Captain setzte sich auf die Bettkante des Patienten. "Was auch immer sich der Täter dabei gedacht hatte, es wird nie wirklich einen Sinn für uns ergeben. Wichtig ist, dass Sandburg jetzt erst einmal in Sicherheit ist und wir den Mistkerl schnappen, der ihm das angetan hat."

Jim rieb sich die Stirn. "Die ganze Sache scheint sehr gut durchdacht zu sein. Erst das Ganze mit Lash und jetzt das Golden. Es sieht so aus, als wolle man dem Jungen psychisch kaputt machen." Dem Sentinel lief bei seinen letzten Worten ein Schauer über den Rücken.

"Ich freue mich jetzt schon auf den Tag, an dem ich dieses Schwein in die Hände kriege."

"Vermutlich gibt es morgen wieder eine Nachricht von ihm, vorausgesetzt, er ist nicht bereits über alle Berge und das war doch schon alles."

Simon glaubte aber selbst auch nicht daran. Der Kidnapper war noch immer da draußen und gefährlich. Er wusste, dass Jim nicht eher ruhen würde, bis der Mann aus dem Verkehr gezogen war. Und er würde es auch nicht.

"Sie sollten sich ein wenig hinlegen, damit Sie auch Ihren Schlaf bekommen." Simon klopfte dem Detective kurz auf die Schulter, stand auf und verließ den Raum.

"So Kumpel, jetzt sind nur noch wir zwei hier." Der Sentinel berührte Blair sanft am Oberarm.




Montag, der 22. Mai, gegen 6:30 Uhr

Aufgeschreckt fuhr Jim hoch. Er blinzelte kurz und blickte sich um. Er saß noch immer auf dem Stuhl neben dem Krankenbett seines Freundes. Er musste heute Nacht irgendwann eingenickt sein. Seine Glieder schmerzten, der Stuhl war nicht besonders gemütlich, schließlich war er auch nicht zum Schlafen vorgesehen.

Draußen hörte er die vielen Krankenschwestern und Ärzte hektisch auf dem Flur hin und her laufen. Langsam wanderte sein Blick zu Blair. Er hörte seinen Herzschlag ganz genau, er war befriedigend ruhig und stabil. Erst jetzt fiel dem Sentinel auf, dass sein Partner scheinbar wach sein musste, er konnte es an dem Rytmus erkennen. Dennoch lag er mit geschlossenen Augen da.

"Häuptling?", flüsterte Jim und rückte etwas näher an das Bett. Als Antwort folgte ein leises Murren.

"Hey Kumpel, wachen Sie auf. Die Schwester kommt gleich." Der Sentinel musste innerlich grinsen. "Machen Sie bitte die Augen auf, ja?"

Blair stöhnte und begann langsam die Augen zu öffnen um sie gleich wieder ruckartig zu schließen. Er sah nur noch diesen goldenen Schimmer, der alles umgab, dieser Anblick war ihm nur allzu gut bekannt. Er musste wohl etwas von der Droge Golden eingenommen haben. Aber wann? Er konnte sich nicht erinnern, etwas Besonderes gegessen zu haben.

"Was is'n passiert?", presste er hervor und blinzelte in die Richtung, wo die Stimme seines Freundes herkam.

"Sie wurden aus dem Loft entführt und in ein altes Fabrikgebäude gebracht. Dort hatte man Sie zusammengeschlagen und Ihnen etwas Golden verabreicht."

Blair stöhnte und fasste sich an seinen schmerzenden Kopf. "Richtig." Er konnte sich wieder an alles erinnern, an die Tritte des Kidnappers und wie dieser mit seinem Komplizen ihm den Brei eingeflößt hatte. "Wie lange?", krächzte er.

"Wie lange Sie in der Fabrik waren? Über zehn Stunden, und noch mal so lange hier im Krankenhaus." Jim machte eine kurze Pause. Er betrachtete seinen Kumpel und fragte sich, ob ihm bewusst war, dass sie den Verantwortlichen noch nicht geschnappt hatten.

"Sie sollten schlafen", flüsterte er, bemerkte aber zugleich, dass Blair dies bereits tat.

Leise stand er auf und stellte sich vor das Fenster. Draußen war es erst gerade hell geworden. Vor den Eingangstüren des Hospitals standen die Wagen der Presse, die glaubten, die Story des Monats gefunden zu haben.

Was würde der heutige Tag bringen? Würde der Täter sein Spiel weiterspielen? Und wenn ja, was wäre sein nächster Schritt?

Durch ein Klopfen an der Tür wurde der Sentinel aus seinen Gedanken gerissen. Ohne sich umdrehen zu müssen erkannte er Simon am Zigarrengeruch.

"Guten Morgen Jim. Wie geht es dem Jungen?" Erst jetzt wandte der Detective sich an seinen Captain. Simon erkannte sofort, dass Jim die Nacht nicht sonderlich gut verbracht hatte.

"Er war gerade kurz bei Bewusstsein, hat aber immer noch mit der Droge zu kämpfen." Banks nickte und blickte auf den Polizeiberater. Dessen Gesicht wirkte so weiß wie der Bettlaken.

"Sie haben etwas Neues?", fragte Jim nach einer Weile. Er bemerkte durchaus, dass sein Captain etwas besorgte und das betraf nicht nur Blairs Gesundheitszustand.

Simon seufzte. Er kramte etwas aus seiner Manteltasche hervor. "Das hier wurde Ihnen vor etwa einer halben Stunde an der Information hinterlegt." Er reichte ihm einen zusammengefalteten Zettel.

Jim öffnete ihn und las die rot geschriebenen Buchstaben laut vor: "Dieser Tag gehört uns - X Minus 1 Tag."

Wütend zerknüllte er das Papier und warf es quer durch das Zimmer. Er hatte dieses Spielchen satt.

"Weiß man, wer den Zettel abgegeben hat?"

"Nein, leider noch nicht. Die Krankenschwester, welche die Nachricht entgegen genommen hatte, soll die Person nur sehr flüchtig gesehen haben. Brown geht der Sache gerade nach."

Jim fuhr sich mit der Hand durch das Gesicht.

Sie sehen schrecklich aus Jim, vielleicht sollten Sie lieber nach Hause fahren und..."

"Auf keinen Fall", unterbrach der Sentinel ihn.

Banks schüttelte den Kopf. "Dann machen Sie sich wenigstens gerade frisch, ich werde solange hier bei dem Jungen bleiben."

Jim rührte sich nicht von der Stelle.

"Das war keine Bitte, sondern ein Befehl, Detective."

"Ja, Sir." Jim verließ widerwillig den Raum, vorbei an den zwei abgestellten Beamten. Er öffnete die Türe zu den Herrentoiletten, betrat den gekachelten Raum und spürte plötzlich, wie ein harter Schlag ihn im Nacken erwischte. Bewusstlos stürzte er zu Boden...




Erwartungsvoll blickten ihn ein paar dunkelblaue Augen an. Simon wusste nicht, was er auf die Frage seines Polizeiberaters antworten sollte, wo dessen Partner sei. Bereits vor über einer Stunde hatte er Jim weggeschickt. Er brauchte nicht lange um zu bemerken, dass etwas nicht stimmte. Er hatte damit gerechnet, dass der Sentinel so schnell wie möglich wieder an die Seite seines Freundes kommen würde. Als er nach über fünfzehn Minuten immer noch nicht erschien, schickte er Rafe, nach ihm zu schauen, aber Ellison war nicht aufzufinden. Fieberhaft suchte man im ganzen Hospital nach ihm, aber Banks wusste, dass sie ihn hier nicht finden würden.

"Nun?", flüsterte Blair. Er wurde allmählich nervös. Es war offensichtlich, dass etwas nicht stimmte.

Simon blickte auf den Zettel, den er in seiner Hand hielt. Den, den Jim erst eine Stunde zuvor noch wütend in die Ecke warf. Die Nachricht war diesmal eindeutig und dennoch hatte der Täter auch diesmal es wieder geschafft sie zu überrumpeln.

Blair wurde nervös und zeigte auf das Papier in Simons Hand, auf das er noch immer gebannt starrte. "Was ist das? Wieder eine Nachricht des Mörders?"

Der Captain seufzte, bevor er zur Erklärung ansetzte: "Diese Notiz erhielten wir heute Morgen." Er reichte ihm den Zettel.

Der junge Anthropologe las still die Worte und schloss darauf die Augen. "Verdammt."

Simon nickte. "Ich schickte Jim aus dem Zimmer, er solle sich etwas frisch machen. Das ist jetzt schon über eine Stunde her. Er ist wie vom Erdboden verschluckt."

"Das muss dieser John gewesen sein", murmelte Blair vor sich hin und blickte gedankenverloren auf die Nachricht in seiner Hand. Noch immer sah er alles im goldenen Schimmer und sein Kopf fühlte sich so an, als hätte er drei Tage durchgemacht.

"John?" Simon setzte sich auf den Stuhl neben dem Krankenbett des Jungen. Er wollte ihn erst über die Angelegenheit ausfragen, wenn er wieder etwas besser aufnahmefähig schien. Aber Sandburg hatte jetzt vielleicht wertvolle Informationen, die Jim helfen konnten. Und es schien ihm besser zu gehen.

"Ja, sie waren zu zweit. Die erste Person hatte so eine künstliche Stimme."

Simon nickte. "Wir erhielten einen Anruf von ihm. Die Stimme ist so verzerrt, dass wir sie nicht identifizieren konnten."

"Und später rief er noch einen Zweiten hinzu. Er nannte ihn John, mehr weiß ich auch nicht. Ich lag ständig in dieser dunklen Kammer, ich konnte niemanden erkennen, lediglich Konturen. Dieser John war sehr kräftig gebaut." Blair seufzte. "Tut mir leid, mehr kann ich auch nicht sagen."

Der Captain legte seine Hand auf die Schulter des Jungen. "Schon Ok, wir wissen jetzt immer hin mehr als zuvor. Können Sie sich an irgendetwas anderes erinnern, was die erste Person noch zu Ihnen sagte?"

Blair überlegte scharf. Mit seinen Kopfschmerzen fiel es ihm schwer sich zu konzentrieren.

"Es klang so, als würde er sich rächen wollen für etwas, aber keine Ahnung was."

Der junge Anthropologe atmete tief ein. Es fiel ihm schwer so lange zu sprechen.

"Und als sie mir diesen Brei verabreicht hatten, ließen sie die Tür weit offen, als sollte ich entwischen. Der Erste meinte zu diesem John, dass sie sich beeilen müssten, sie wären gleich da. Ich vermute mal, sie meinten damit die Polizei."

Langsam ging Simon die neuen Informationen durch. "Sie hinterließen uns eine Nachricht, auf Grund dessen wir dann zur Fabrik gefahren sind. Das war alles ein abgekapertes Spiel."

Er ärgerte sich über die Dreistigkeit der Täter und dass sie damit bisher sogar immer erfolgreich durchkamen.

"Ok Sandburg, Sie sollten sich ausruhen. Wir finden Jim, das verspreche ich."

Er stand auf und verließ leise das Zimmer.

Wieder blickte Blair auf das Papier, das er noch immer in seinen Händen hielt. Wo mochte sein Partner jetzt stecken? Was hatte der Mistkerl mit ihm vor?




Jim öffnete langsam seine Augen. Er fand sich in einem stockfinsteren Zimmer wieder. Seine Hände waren hinter seinem Rücken gebunden, seine Beine verkettet. Er richtete sich auf und versuchte mit Hilfe seiner geschärften Sinne seine Umgebung näher zu erkunden. Der Raum hatte keine Fenster, vermutlich befand er sich in einem Kellergeschoss.

"Willkommen Jim."

Mit diesen Worten erhellte sich der Raum mit Hilfe einer schwachen Deckenleuchte.

Der Sentinel blickte in die Richtung, wo die Frauenstimme herkam und traute seinen Augen kaum: Im Türrahmen stand Veronica Sarris, die Tochter eines alten Freundes. Vor über vier Jahren machte sie ihm das Leben als sogenannter 'Weichensteller' mit Bombenanschlägen schwer. Sie machte ihn für den Tod ihres Vater verantwortlich, der vor zwölf Jahren mit ihm für einen Sondereinsatz nach Peru flog. Er starb mit dem Rest von Ellisons Crew beim Helikopterabsturz.

"Veronica! Also du steckst hinter dem Ganzen." Jim versuchte alle Puzzleteile des Falles zusammenzusetzen. Sie musste allerdings mindestens einen Komplizen haben.

"Überrascht?" Langsam schritt sie zu ihrem Gefangenen hinüber. "Wie lange habe ich auf diesen Moment gewartet! Ich habe das alles schon seit Monaten geplant, weißt du das? Und jetzt kann ich mich endlich angemessen bei dir rächen."

"Indem du unschuldige Menschen umbringst und entführst?" Jim versuchte unterdessen, sich von seinen Fesseln zu befreien.

"Das gehört doch alles zum Spiel. Ich kenne die Beziehung zu deinem kleinen Freund. Der war allerdings gestern nicht sehr kooperativ. Ich glaube, ich werde ihm das noch beibringen müssen." Sie grinste schadenfroh und wandte sich wieder von ihm ab.

"Wenn du Sandburg noch einmal zu nahe kommst, dann..." - "Was dann?", unterbrach sie ihn und kehrte sich ruckartig um. "Du hast es wohl noch immer nicht verstanden: Du hast meinen Vater auf dem Gewissen und mich zurückgelassen."

Sie kniff wütend die Augen zusammen.

"Sandburg gehört dazu, er ist eine Spielfigur in meinem kleinen Plan. Das wird ja der beste Teil, wenn ich ihn vor deinen Augen umlege." Gehässig begann sie zu lachen.

Jim versuchte ruhig zu bleiben, aber innerlich kochte er vor Wut.

"Ich hoffte, er würde auf die Sache mit David Lash anspringen. Als ich kurz nach meiner erneuten Einweisung in der Washingtoner Psychiatrie von dem Vorfall hörte, wusste ich, das dies einmal ein Teil meiner Rache werden würde."

Sie lief um Jim herum und blickte herablassend zu ihm herunter. "Wie nobel: Der mutige Detective James Ellison rettet seinen Partner aus den Klauen des Psychopaths."

Sie warf ihm eine leicht vergilbte Zeitung vor die Knie. Auf dem Titelblatt sah man ihn und Blair. Die Überschrift bezifferte 'Detective rettet Partner vor dem sicheren Tod'.

"Daher kanntest du also die Details von Lashs Mordmethoden. Ich werde beantragen, dass man euch in der Psychiatrie keine Zeitung mehr zum Lesen gibt", sagte Jim sarkastisch.

Veronica griff nach seinem Kinn und riss es in ihre Richtung, so dass der Sentinel direkt in ihre Augen blicken musste.

"Ich habe deine Karriere immer genau beobachtet, jeden deiner Schritte. Ich habe nicht nur alle Zeitungsberichte gelesen, nein: Ich schaute auch jeden Beitrag im TV. Und ich bin nicht blind, ich sah deinen Partner immer bei dir. Dieser Sandburg war es auch, der mich damals im Bus niederschlug. Es wird mir ein Vergnügen sein ihn umzulegen."

"Du wiederholst dich", erwiderte Jim trocken.

Veronica ließ ihn los und schlug ihn hart ins Gesicht. "Dein Freund zeigte auch wenig Respekt vor mir, aber keine Angst, ihr werdet beide schon bald eines Besseren belehrt."

Sie wandte sich von Jim ab und lief zur Tür. "Und jetzt entschuldige mich. Ich muss mich um deinen Partner kümmern. Wir wollen ja nicht, dass er zu unserer Party zu spät kommt."

Triumphierend schritt sie laut lachend aus den Raum.




Cascade Police Department - gegen 16:30 Uhr

Simon schlug die Tür seines Büros hinter sich zu und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Noch immer war von seinem Detective nichts zu finden. Nur sperrlich fanden sie Hinweise, die zur Aufklärung des Falles hilfreich sein könnten.

Er blickte nachdenklich auf das Schriftstück vor sich. Es zeigte ein Phantombild einer jungen Frau, die angeblich den letzten Zettel für Jim an einer Krankenschwester übergab. Er wusste nicht wohin er das Gesicht stecken sollte, aber es kam ihm verdammt bekannt vor.

Ist sie unsere Kidnapperin?

Besorgt blickte er auf seine Armbanduhr. Er hatte Sandburg versprochen, heute nach mal vorbeizuschauen und ihn über alles Neue zu berichten. Der Junge hatte zwar ausgesagt, er hätte während seiner Gefangenschaft den Entführer nicht erkannt, aber vielleicht sagte ihm das Gesicht dennoch etwas. Schließlich richtete sich nach deren momentanen Erkenntnissen die Rache des Kidnappers nicht nur gegen Jim, sondern auch gegen seinen Partner.

Seufzend stand er auf und griff nach seinem Mantel an der Garderobe. Bevor er aber dazu kam ihn sich überzuziehen, klingelte sein Telefon.

"Banks", meldete er sich knapp.

"Captain, hier ist Taggart." Der Detective klang angeschlagen. Sofort schlugen Simons Instinkte Alarm.

"Was ist passiert, Joel?"

"Es war wieder ein Gasanschlag, Sir. Eh wir reagieren konnten, war Sandburg verschwunden. Verdammt, Simon, der Mistkerl hat ihn schon wieder!"

Simon ließ sich auf seinen Stuhl fallen. "Wie ist das möglich, es waren außer Ihnen und Brown noch zwei weitere Beamte dort!"

"Er muss wohl die Belüftungsanlage des Hospitals benutzt haben. Die ganze Station hier war betroffen."

Der Captain rieb sich die Stirn. Er konnte es nicht fassen, wieder führte man ihn und seine Leute an der Nase herum. Aber es war nicht Taggarts Schuld.

"Ok Joel, ich bin so schnell wie möglich bei Ihnen. Lassen Sie in der Zeit alles abriegeln, ich schicke Ihnen ein Team der Spurensicherung."

"Sir, wir sind hier in einem Krankenhaus, das lässt sich nicht so einfach 'abriegeln'."

"Versuchen Sie einfach darauf zu achten, dass so wenig Leute, wie möglich durch den Bereich laufen, Ok?"

Simon war bewusst, dass das keine leichte Aufgabe sein würde, nicht in einem Krankenhaus. Andererseits erwartete er auch nicht, hilfreiche Spuren zu finden. Bisher achtete der Mann immer sehr genau darauf, seine Spuren zu verwischen oder gar nicht erst welche zu hinterlassen.

Er zog sich seinen Mantel über und schnappte sich das Phantombild. Vielleicht war es auch wirklich diese Frau, die ihnen das Leben schwer machte.




Blair stieg mit schmerzverzerrtem Gesicht aus dem Wagen. Ein kräftiger Mann zog ihn ungeduldig heraus. Es war dieser John, wie ihn zuvor der Kidnapper nannte. Ein weiterer Mann fuhr den Wagen und hatte wahrscheinlich John dabei geholfen ihn aus dem Krankenhaus herauszuholen und ins Auto zu verfrachten.

Sie gingen in ein kleines unscheinbares Haus, dass etwas abseits von Cascade lag. Die ganze Gegend war verlassen. Man sah dem Gebäude an, dass es schon seit Jahren nicht mehr bewohnt wurde: Die Fenster des Hauses waren eingeschlagen und Risse waren in der Hauswand zu erkennen.

Ob sie hier auch Jim versteckt halten?

"Los, rein da!" John schubste ihn vorwärts.

Sie gingen ins Haus und die Männer führten ihn in einen etwas größeren Raum. Dort standen ein Tisch und drei Stühle, ansonsten war der Raum leer. Auf eine der Stühle saß eine Person, mit den Rücken zu ihnen. Blair sah noch immer alles mit einem goldenen Schimmer umgeben.

"Wir haben Ihren Gefangenen." Der Fahrer des Wagens trat hervor und blickte mit funkelnden Augen auf den jungen Anthropologen.

Die Person am Tisch stand auf und drehte sich zu ihnen um. Blair blieb beinahe das Herz stehen. Er glaubte nicht, was er da sah - vielmehr, wen er sah. Nur zu gut konnte er sich noch an Veronica Sarris erinnern. Es war gewisser Maßen sein erster Fall mit Jim. Schon damals war sie psychisch labil und hegte einen Hass gegen seinen Partner. Auf dem Tisch lag ein technisches Gerät, an dem ein Mikrofon angebracht war. Vermutlich hatte sie damit ihre Stimme verzerrt. "Schön Sie wiederzusehen, Mr. Sandburg. Haben Sie Ihren Aufenthalt im Krankenhaus genossen?" Sie kam näher und blickte ihm fest in die Augen.

"Was haben Sie mit Jim gemacht?"

Veronica lachte. "Sie sollten sich lieber Gedanken darum machen, was ich mit Ihnen alles anstellen werde."

Sie nickte den Männern zu. "Sie können Ihn wegbringen. Ich kümmere mich nachher um ihn."

John und der Fahrer des Wagens schleppten ihn in einen kleinen Raum.

"Ich würde an Ihrer Stelle gar nicht erst versuchen, hier zu entfliehen und Ihre Kräfte für später aufheben."

Sie schlossen die Türe ab und ließen Blair allein. Erschöpft setzte er sich auf den Boden und lehnte sich gegen die Wand. Seine gebrochenen Rippen schmerzten und noch immer hatte er wegen der Droge starke Kopfschmerzen. Er schloss die Augen und hoffte, dass es Jim besser erging.



Kapitel 4


Jim schlug resignierend den Kopf gegen die Wand hinter ihm und schloss seine Augen. Er konnte alles mitanhören, was eine Etage über ihn sich abgespielt hatte. Der Sentinel hatte gehofft, dass Simon und die anderen Sandburg ausreichend hätten beschützen können, doch auch diesmal kam ihnen Veronica dazwischen.

Er musste jetzt schon stundenlang hier festsitzen. Etliche Male hatte er den Raum nach Fluchtmöglichkeiten oder sonstigen Hilfsmitteln untersucht und jedes Mal musste er enttäuscht feststellen, dass er keine andere Wahl hatte als abzuwarten und der Dinge auszuharren.

Der Sentinel hörte Schritte in der Ferne, wie jemand die Stufen zum Keller hinunterkam. Er stand mühselig auf und wartete darauf, dass sich die Türe öffnete. Wenn er nicht angekettet gewesen wäre, hätte er seine Widersacherin am Eingang überrumpeln können, aber die Kette ließ ihm nur einen kleinen Bewegungsfreiraum.

Die schwerfällige Tür öffnete sich und Veronica trat herein.

"Na, hast du mich schon vermisst?" Sie kam näher, achtete aber darauf, dass sie weit genug von ihm wegblieb um nicht von ihm angegriffen zu werden. "Gerade ist dein kleiner Freund eingetroffen. Schon bald kann die Party losgehen, die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren."

Sie grinste. Misstrauisch hob sie eine Augenbraue hoch, als sie bemerkte, dass Jim keine Reaktion zeigte.

"Ich sage dir etwas, vielleicht werde ich es schnell machen. Aber du musst mich anflehen." Sie lächelte triumphierend.

Jim verzog keine Mine. "Darauf kannst du lange warten."

"Wir werden ja sehen. Und keine Angst, danach bist auch du dran." Sie drehte sich auf ihrem Absatz um und lief zurück zur Türe.

"Wieso erst noch Zeit mit Sandburg verschwenden, wenn du direkt auf mich zurückgreifen kannst." Sie blickte sich zu Jim um und grinste breit.

"Dann ist es doch nur noch halb so schön. Ich weiß sehr wohl, dass dir was an ihm liegt und das wird meine eigentliche Rache."

Sie näherte sich wieder ihrem Gefangenen.

"Was glaubst du, wie es sein wird, wenn ich ihn töte und dich dann weiterleben lasse. Ich glaube, das ist eine viel größere Strafe als dich einfach umzubringen. Schon in der Bibel steht: 'Auge um Auge und Zahn um Zahn'. Du nahmst mir meinen Vater und ich nehme dir deinen Freund, deinen Partner. Ich finde, das ist doch nur fair, oder?"

Sie wandte sich ab und verließ zügig den Raum.




Cascade Police Department - gegen 19:30 Uhr

Simon schaute von seinem Schreibtisch auf, als er ein Klopfen an seiner Bürotür hörte. "Herein."

Taggart betrat das Zimmer.

"Was ist Joel?", fragte Simon, nachdem Taggart sich schweigend gegenüber seinem Schreibtisch stellte.

"Das hatten wir vor wenigen Minuten am Schwarzen Brett gefunden." Er reichte dem Captain einen kleinen Zettel.

Banks ahnte schon, um was es sich handelte. Ein Blick auf das Papier bestätigte seine Befürchtungen.

"Das Finale wurde erreicht - X Minus 1 Tag." Simon las die Worte laut vor und nahm darauf seine Brille ab. Das klang überhaupt nicht gut.

"Haben wir schon etwas Neues über die Frau?"

Taggart senkte seinen Blick und schüttelte den Kopf. "Nein. Die halbe Mannschaft arbeitet fieberhaft daran. Aber wir hoffen, dass wir in etwa einer Stunde mehr wissen. Es ist sehr aufwendig, alle Fälle der beiden zu durchsuchen. Das waren immerhin schon über vier Jahre."

Simon nickte und setzte sich wieder seine Brille auf. "Beeilen Sie sich und unterrichten Sie mich über jede Neuigkeit."

Taggart nickte und wandte sich zum Gehen. Simon betrachtete das Blatt Papier und fragte sich, wie der Täter es immer wieder schaffte unerkannt die Nachrichten zu platzieren.

"Joel, wer hängt für gewöhnlich die Berichte an das Schwarze Brett?"

Der Detective hielt inne und überlegte kurz. "Das ist unterschiedlich."

"Irgendjemand muss aber in unser Gebäude eindringen, die Nachrichten positionieren und dann wieder unerkannt verschwinden."

"Wir haben hier ständig durch die Festnahmen und Verhöre Personen in den Büros. Es ist unmöglich nachzuvollziehen, wer die Zettel ins Gebäude gebracht hat."

"Nicht ganz." Simon stand auf, öffnete die Tür und rief nach Rafe und Brown.

Die beiden Detectives kamen direkt ins Büro geeilt.

"Detectives, ich möchte diesen Kerl, der es wagt, in unser Gebäude einzudringen."

Rafe und Henri sahen sich an.

"Sir, es dürfte schwierig werden..."

Simon unterbrach Henri mit gehobener Hand. "Wir werden die Kameras am Eingang überprüfen. Alle Zivilisten, die in den letzten zwei Tagen mehr als einmal ins Department gekommen sind, werden gemeldet."

Die drei glaubten nicht, was sie da hörten.

"Simon, das wird Tage dauern alle Videos so genau zu durchforsten", meldete sich Joel.

"Wir haben aber nur Stunden. Und ich will jetzt nicht hören, dass dies unmöglich sei. Das Leben zweier Mitarbeiter steht auf dem Spiel. Und ich werde keine Möglichkeit unversucht lassen."

Er setzte sich wieder an seinen Tisch und blickte die drei Männer vor sich nacheinander an.

"Irgendwelche Fragen?"

Die drei schüttelten still die Köpfe.

"Gut, ich schlage vor, Sie machen sich dann an die Arbeit."

Die Detectives verließen schweigend das Büro.




Dienstag, der 23. Mai - gegen 0:30 Uhr

Lautstark wurde die Tür zum Raum aufgerissen. Blair schreckte auf und sah sich direkt John und dem zweiten Mann gegenüber.

"Aufstehen", sagte John trocken.

Langsam richtete Blair sich auf. Den beiden Männern ging das nicht schnell genug. Sie griffen dem jungen Anthropologen unter die Arme und hoben ihn grob hoch. Blair stöhnte leicht vor Schmerzen. Sie schliffen ihn mit nach draußen und brachten ihn auf den kleinen Hinterhof des Hauses. Wenige Meter von dem Gebäude entfernt befand sich ein kleiner See und dahinter begann der Wald.

Schließlich ketteten sie ihn an die hintere Hauswand, seine Hände und Beine jeweils einzeln.

"Alles fertig Rock?" Veronica kam aus dem Haus und wandte sich an den zweiten Mann. Dieser nickte nur.

"Gut, dann bringt Ellison. Ich erledige hier den Rest."

Die zwei Männer gingen ins Haus. Veronica nahm ein Tuch und knebelte damit Blair, der versuchte sich zu wehren.

"Du wirst wohl deinen letzten Wunsch nicht mehr aussprechen können", bemerkte sie sarkastisch und griff nach einem Messer. Langsam lief sie mit der Klinge seinen Hals entlang. Blair versuchte sich abzuwenden, aber konnte sich kaum bewegen. Sie knöpfte sein Hemd auf.

"Schickes Piercing", kommentierte sie und musterte seinen Brustwarzenring. Vorsichtig ging sie mit der scharfen Klinge über seinen Rumpf.

Blair versuchte kaum zu atmen. Eine falsche Bewegung und er hatte ein Messer im Bauch gerammt.

Plötzlich zuckte er zusammen.

"Oh, tut mir leid, war wohl meine Hand ein wenig zittrig." Blut floss aus einer kleinen Schnittwunde.




Henri kam zu Simon ins Büro gestürmt. "Sir, wir haben die Frau." Er warf dem Captain einen Auszug aus der Washingtoner Psychiatrie auf den Tisch.

"Veronica Sarris alias 'der Weichensteller'. Es war kein offizieller Fall von Jim und Blair, sondern unmittelbar vor Sandburgs Einstellung."

Simon fasste sich an die Stirn. Mit einem Mal fiel ihm alles wieder ein, direkt konnte er die Frau vom Phantombild einordnen. Die Akte vor ihm zeigte ein aktuelles Bild von ihr, dass erst wenige Wochen alt war. Sie hatte sich kaum verändert. Auf dem Phantombild wurde sie kurzhaarig dargestellt, vermutlich eine Perücke, wie sie auch eine bei Blairs erster Entführung aus dem Loft benutzte.

"Gute Arbeit Detective. Das gilt für alle. Hat auch sie die Nachrichten ins Department gebracht?" "Das wissen wir noch nicht, wir arbeiten noch daran. Aber wir haben etwas anderes Interessantes gefunden." Brown legte ihm ein weiteres Blatt Papier vor die Nase.

"Ms. Sarris ist Eigentümerin eines alten Hauses abseits von Cascade. Sie hatte es von ihrem verstorbenen Vater damals geerbt. Es liegt unmittelbar an einem kleinen See."

Banks las die Adresse und überlegte kurz. Das Gebäude war tatsächlich sehr abgelegen und würde sich prima für eine Entführung eignen. Außerdem passte der imitierte Lash-Mord dazu, vermutlich wurde die junge Frau dort ertränkt.

"Ok. Trommeln Sie Rafe und ein paar weitere Officers zusammen, wir fahren dorthin." Hastig schnappte er nach seinem Mantel und rannte aus dem Büro.




Blair stöhnte vor Schmerzen. Veronica hatte ihm einen kräftigen Schlag in die Magengegend verabreicht.

"Na, wie gefällt Ihnen das?" Sie schlug ihn ein weiteres Mal.

"Ich muss gestehen, ich werde allmählich ungeduldig. Ohne Jim kann ich noch gar nicht richtig loslegen."

Sie entfernte sich und lief ein paar Schritte zur Tür. Plötzlich gab es einen dumpfen Schlag und sie stürzte bewusstlos zu Boden. Direkt darauf erschien Jim an der Tür und eilte zu seinem Partner. Blair war übersät von kleinen Schnittwunden. Er sah erschöpft aus und seinem Gesicht war anzusehen, dass er große Schmerzen haben musste. Zügig befreite der Sentinel ihn von den Ketten und nahm ihm das Tuch aus dem Mund. Kaum hatte Jim die Ketten gelöst, sackte der junge Anthropologe zusammen. Jim hielt ihn aufrecht und half ihm behutsam zu Boden.

"Vorsichtig Häuptling. Gleich ist alles vorbei."

Blair stöhnte und blickte hinüber zu Veronica, die noch immer ohnmächtig auf dem Boden lag.

"Die wird Ihnen nicht mehr zu nahe kommen", versprach Jim und betrachtete seinen Partner genauer. Er tastete vorsichtig seinen Bauch ab.

"Sind Sie in Ordnung?", presste Blair hervor und musterte seinen Freund. Er schien mehrmals geschlagen worden zu sein.

"Sie sollten lieber versuchen nicht zu sprechen", erwiderte der Detective. Wenn er richtig lag, hatte der Junge innere Blutungen und musste sofort in ein Krankenhaus.

Ein lauter Knall durchfuhr die Nacht. Jim fiel zu Boden und fasste sich an seinen schmerzenden Arm, der zu bluten begann. Er blickte in Richtung des Hauseingangs. Rock stand mit vorgezogener Waffe da und schoss erneut. Der Sentinel wich aus und stürmte auf den Mann zu. Er riss ihn mit zu Boden und verwickelte ihn in einen Nahkampf. Blair, der bei dem Schuss aufgeschreckt war, sah dem Schauspiel hilflos zu.

Rock griff nach dem Revolver, der nur weniger Meter von ihm entfernt auf den Boden gefallen war. Jim kam ihm zuvor und schlug ihn hart ins Gesicht. Rock fiel zu Boden, aber wehrte sich weiter. Er schlug auf Ellisons frische Wunde. Dieser schrie vor Schmerzen laut auf und löste seinen Griff. Rock nutzte die Gelegenheit und schlug ein weiteres Mal den Detective. Er ließ ihn zurück und schnappte sich die Waffe.

Der Sentinel hörte, wie Blair ihn mehrmals von hinten ängstlich rief. Unbeirrt warf er sich auf Rock und erreichte so, dass dieser erneut die Pistole aus der Hand verlor. Er holte zu einem letzten Hieb aus und schlug seinen Widersacher k.o.

Etwas benommen stand er auf und kehrte sich seinem Freund wieder zu, doch dieser war verschwunden. Erst jetzt bemerkte er, dass Veronica ebenfalls nicht mehr zu sehen war. Er hörte einige Meter hinter sich den ruhigen Herzschlag seines Kumpels. Er drehte sich abrupt um und sah am See Veronica stehen, die den bewusstlosen Blair bis an das Ufer geschleppt hatte. Mit Wucht stieß sie ihn laut lachend ins tiefe Wasser.

"Nein!" Jim rannte zu ihr. Sie zückte ihr Messer und versuchte damit auf den Detective einzustechen. Dieser wich den Attacken der jungen Frau aus und trat ihr mit seinem rechten Bein die Klinge aus der Hand. Er schlug sie mit einem Kinnhaken abermals bewusstlos.




Simon düste mit Vollgas durch die verkehrsreichen Straßen. Seine Sirene veranlasste zwar viele Autofahrer ihm auszuweichen, aber dennoch musste er sich rasant zwischen den Wagen hindurchschlängeln.

Sein Handy klingelte. Er nahm es sich von der Beifahrerseite ohne seinen Blick von der Straße abzuwenden.

"Banks hier."

"Sir, wir haben jetzt wahrscheinlich den Mann, der die Nachrichten ins Department brachte. Es handelt sich um einen Rock Broderick, ein Kleinganove. Für gewöhnlich arbeitet er mit einem John Glance zusammen."

Simon riss das Lenkrad scharf herum um ein Auto vor sich zu überholen.

John. Sandburg hatte von einem John gesprochen.

"Gute Arbeit Joel. Somit dürften wir es gleich mit mindestens drei Personen zu tun haben."

"Viel Glück Simon!" Taggart legte auf.

Banks kontrollierte seinen Außenspiegel. Dicht hinter ihm folgten Brown und Rafe in einem Wagen und zwei weitere Polizeiautos.

Hoffentlich sind wir nicht zu spät.




Jim sprang ins tiefe Wasser und begann zu tauchen. Er versuchte seine geschärften Sinne einzusetzen, aber er konnte nur sperrlich unter Wasser etwas erkennen. Nach einer Weile kam er wieder an die Oberfläche um kurz Luft zu holen. Daraufhin stürzte er sich wieder in die Tiefe. Diesmal versuchte er sich auf sein Gehör zu konzentrieren. Und tatsächlich, er vernahm einen leisen und unregelmäßigen Herzschlag. Er schwamm dem Geräusch entgegen und fand seinen Freund am Grund. Schnell schnappte er sich Blair und hob ihn mit nach oben an die Luft. Hastig paddelte er zum Ufer und zog den Jungen aus dem Wasser. Er kontrollierte mit seinem Gehör Blairs Puls und Atmung, konnte aber keines von beiden hören. Panisch begann er mit erster Hilfe. Von weitem hörte er Sirenengeheul.




Simon bog zur Lakestreet ab und hielt an einem kleinen Haus. Er schaltete den Sirenenton ab und stieg aus den Wagen. Hinter ihm kamen nun auch Rafe, Brown und die anderen Officers an. Alle verließen hastig ihre Wagen und stießen vor dem Eingang zum Captain.

"Ok, bei drei", flüsterte dieser und begann zu zählen. Bei drei trat Rafe die Türe ein und die Cops eilten mit vorgehaltener Waffe ins Gebäude. Vorsichtig suchten sie die Zimmer ab und fanden Glance, bewusstlos geschlagen. Aber es war weder etwas von Jim noch von Blair zu sehen.




Regelmäßig presste Jim seinem Partner auf den Brustkorb um so seine Atmung zu reaktivieren.

"Kommen Sie schon Häuptling." Er hielt ihm die Nase zu und begann mit Mund zu Mund Beatmung. Nach einigen Versuchen kontrollierte er wieder Blairs Puls, aber es war nichts zu hören. Erneut begann er ihm in regelmäßigen Abständen auf die Brust zu drücken - noch immer kein Lebenszeichen.

Panisch begann er wieder mit der Mund zu Mund Beatmung. Plötzlich zuckte der zuvor regungslose Körper unter ihm zusammen. Jim fuhr hoch und hob Blairs Kopf ein wenig zur Seite an. Der Junge begann Wasser zu spucken.

Erleichtert seufzte der Sentinel auf.

"Jim", krächzte Blair hervor.

"Genau hier, Kumpel. Ich bin hier."

"Ellison?" Vom Haus aus rief Simon und rannte herbei, als er die beiden Partner am See sah. "Oh mein Gott! Wie geht es dem Jungen?" Er hockte sich keuchend neben seinen Detective und blickte besorgt zu Blair.

"Er muss dringend in ein Krankenhaus", erwiderte Jim.

Rafe und Brown kamen jetzt ebenfalls aus dem Haus herbeigeeilt.

Simon griff nach seinem Telefon und rief nach einem Krankenwagen.




Cascade Krankenhaus - gegen 17:30 Uhr

Jim sprang von seinem Stuhl auf. Der Arzt nickte ihm zu, dass er jetzt in das Krankenzimmer seines Partners durfte. Er gewährte ihm dafür aber nur fünf Minuten, da der Detective selbst noch die Wunde am Arm auskurieren musste.

Leise betrat der Sentinel den kleinen sterilen Raum und lief zum Bett, in dem Blair lag. Er setzte sich auf den nebenstehenden Stuhl und betrachtete den Patienten ausgiebig.

Die Ärzte hatten ihn bis vor einer guten Stunde noch operiert. Die Liste der Verletzungen des Jungen erschien unendlich lang: Er hatte noch immer die beiden gebrochenen Rippen auszukurieren und auch das Golden war noch nicht gänzlich aus seinem Blutkreislauf entwichen. Durch den schlechten Gesundheitszustand würde es nun auch länger dauern. Die kleinen Schnittwunden, die Veronica ihm zugefügt hatte, würden schnell verheilen, so dass davon bald nichts mehr zu sehen sein würde. Das größte Problem waren die inneren Blutungen, die sich durch die erste Hilfe Maßnahmen eventuell noch verschlimmert hatten. Zur Zeit konnte man nur abwarten, die Ärzte sagten, wenn er diese Nacht überlebe, käme er durch...

Der Sentinel rieb sich besorgt die Stirn. Wie konnte es nur soweit kommen?

Morgen hätte der Junge Geburtstag, seinen 31. So jung, und wie oft war er schon dem Tode nahe? Eigentlich war für morgen eine große Geburtstagsparty angedacht gewesen, wenn sie wieder von ihrem Urlaub zurückgekommen wären.

"Jim?" Simon trat ins Zimmer und näherte sich seinem Detective. "Der Arzt meint, Sie sollten wieder zurück in Ihr Bett und sich ausruhen."

Jim blickte zu Banks hoch und nickte. Er drückte kurz die Hand seines Partners und stand auf.

"Der Junge wird schon wieder. Er wird doch seinen eigenen Geburtstag nicht verschlafen." Simon grinste schief und hoffte damit Ellison etwas aufzumuntern.

"Hat sich etwas Neues bei Veronica ergeben?"

Der Captain senkte den Blick. "Sie war geständig. Sie brachte auch das erste Opfer a là Lash-Manier um, in dem kleinen See hinter ihrem Haus. Broderick und Glance waren ihr dabei behilflich."

Der Sentinel nickte und verließ still den Raum, nachdem er noch einmal kurz zu Sandburg zurückblickte. Die Nachricht war nicht wirklich befriedigend. Alles, was zur Zeit zählte, war, dass der Junge die Nacht überstand.




"Guten Morgen, Sir." Eine Krankenschwester kam zur Türe herein und lächelte ihn aufmunternd an.

Jim rieb sich die Augen. Er hatte die ganze Nacht nicht schlafen können. Zugern hätte er an der Seite seines Partners gewacht, aber man ließ ihn nicht.

"Wie geht es Sandburg?"

Die Schwester war überrascht und wusste scheinbar nicht, wovon er sprach.

Ohne zu zögern warf Jim seine Decke beiseite und eilte aus dem Zimmer, die Proteste der Krankenschwester ignorierte er.

Leise klopfte er an Sandburgs Tür an und schlüpfte hinein. Er glaubte nicht, was er da sah: Auf der Stelle blickten ihn mindestens ein Dutzend Paar Augen an, Blairs eingeschlossen. Freudestrahlend lief Jim zu ihm.

"Schön, dass Sie wieder bei uns sind, Häuptling."

Sandburgs Zustand war noch immer ernst, aber nicht mehr lebensgefährlich, er war über den Berg, wie ihn Rafe kurz informierte.

Simon räusperte sich.

"Oh ja, richtig, Blair: Alles Gute zum Geburtstag!" Jim umarmte den Jungen leicht.

Der Captain klopfte seinem Detective kurz auf die Schulter. Dann wandte er sich an den Polizeiberater: "Wir kommen später noch einmal vorbei."

Blair nickte.

"Ok Detectives, dann wollen wir mal den beiden Patienten ihre Ruhe lassen. Auf uns wartet unten die Presse."

Er blickte zu Jim. "Sie sollten die mal hören. Sie werden mal wieder hoch gelobt, Ellison."

Murmelnd verließ die Meute den Raum, so dass Jim und Blair alleine waren.

"Wie geht es Ihnen?", fragte Jim nach einer Weile.

Blair nickte erneut. "Besser", flüsterte er und deutete mit seinem Kopf auf Jims Armverband. "Und bei Ihnen?"

Der Sentinel grinste. "So ein kleiner Kratzer haut mich nicht um."

Sandburg lächelte ebenfalls.

"Häuptling, eines verstehe ich immer noch nicht." Jim legte eine nachdenkliche Mine auf.

"Was?", fragte Blair flüsternd.

"Was war das für ein BH, den Sie zum Ausflug mitnehmen wollten?"

Der junge Anthropologe lachte laut auf, aber verstummte direkt wieder, da ihn die Schmerzen übermannten.

"Alles Ok?", erkundigte sich Jim besorgt.

"Ja." Blair blickte auf seinen Partner, der von einem leichten Goldschimmer umgeben war.

"Das war der BH meiner ersten großen Liebe, Sie wissen schon, Jugendliebe usw., mann", erklärte er stockend, dennoch mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht.

Jim lächelte vielsagend. "Erste große Liebe, hm? Wie hieß die Arme denn?"

"Sheila."

Nach einer kurzen Pause setzte der Junge erneut an: "Verraten Sie mir auch etwas?"

"Sicher, Sandburg."

"Wohin wären wir in den Urlaub gefahren?"

Der Sentinel grinste. "Ich befürchte, Sie werden abwarten müssen, bis wir wieder ein paar freie Tage haben."

"Ach bitte, Jim!" Blair flehte ihn mit seinen großen blauen Augen an.

"Nein."

"Bitte."

Jim blieb beständig. "Nein."

"Sie können doch einem armen Patienten wie mir so etwas nicht abschlagen!"

"Und ob ich das kann", erwiderte Jim und stand auf.

"Hey, wo wollen Sie hin?"

"Ich lasse den armen Patienten schlafen", antwortete der Sentinel amüsiert und lief aus dem Zimmer. "Jim, nicht. Hey, ich habe heute Geburtstag und einen Wunsch frei! Jim? Jim!"


Ende


Ich hoffe, nicht nur Chance hat es gefallen, sondern auch dem Rest?! Falls ihr gefallen daran hättet gibt es vielleicht irgend wann mal eine Fortsetzung hierzu? Schreibt mir, wenn ihr gerne eine lesen würdet - wer weiß... :-)


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