Teil 4


Ich hatte es inzwischen fast bis zur Tür geschafft. Ich rutschte sitzend immer weiter und weiter dem Pentagon entgegen. Nur noch wenige Zentimeter trennten mich von ihm. Dann würde ich mich nur umdrehen und es irgendwie in die Hände bekommen müssen...

Doch dann wurde die Tür aufgerissen und ich starrte in das Gesicht eines Jungen der aussah wie... Michael!

Er hatte mehrere Piercings im Gesicht und eine schreckliche Frisur. Im nächsten Moment wurde mir klar, dass dies "Rath" sein musste.




"Ah, ah, was machen wir denn hier?" fragte er ironisch. Er packte mich unsanft an den Schultern, stieg in den Wagen und zerrte mich wieder nach hinten zu Michael. Mein Brustkorb schmerzte durch die grobe Bewegung nun wieder sehr und ich musste nach Luft ringen. Ich fragte mich, ob ich mir bei dem Unfall einige Rippen gebrochen hatte...

Michael schrie Rath an: "Hör auf, Du tust ihr weh."

Rath lachte und äffte Michael nach "Hör auf, hör auf." Nachdem er mich wieder neben Michael gesetzt hatte ging er vor uns in die Hocke.

"Du hast wohl eine neue Freundin gefunden, was Michael? Keine Sorge, noch wird ihr nichts passieren. Aber ich hab´ keine Garantie wie lange das dauern wird." Er grinste uns an. Es war wirklich unglaublich. Dieser Junge sah nicht nur aus wie Michael - er hörte sich auch an wie er.

"Ich hätte wissen müssen, dass ihr mit den Skins gemeinsame Sache macht." sagte Michael wütend.

"Ja Mann, nachdem Dein Freund Max uns jede Chance versaut hat nach Hause zu kommen dachten Lonnie und ich, es wäre wohl das beste, sich an diejenigen zu wenden die wirklich hier weg wollen."

Er drehte sich kurz um als er hörte, wie jemand an den Wagen trat. Herein kam ein Mädchen, das genau aussah wie Isabel. Nur hatte sie kurze Haare und einen bösen, durchdringenden Blick.

"Hi Freunde." sagte sie emotionslos.

"Lonnie!" Rath streckte die Hand nach ihr aus und sie trat näher heran. Rath sprach weiter: "Sieh´ Dir unsere beiden hier an... unsere Tickets nach Hause."




Die beiden jagten mir Angst ein. Tess hatte mir von ihnen erzählt. Sie hatten Zan -das Duplikat von Max- umgebracht und schreckten auch nicht davor zurück, weiter zu morden um die Erde verlassen zu können. Rath erschien mir unheimlich brutal und Lonnie konnte man ansehen, dass sie durch und durch böse war.

"Wir werden euch etwas Gesellschaft leisten." sagte Rath und beide setzten sich.

"Nicht, dass ihr wieder auf dumme Gedanken kommt."




Wir fuhren inzwischen etwa eine halbe Stunde. Wohin, wusste ich nicht. Michael saß verkrampft neben mir. Durch die ständigen Bewegungen des Wagens mussten die Schmerzen in seinem Bein fast unerträglich sein.

"Ihr wisst, dass ihr keinerlei Fähigkeiten habt wenn ihr in der Nähe des Pentagon sitzt?" fragte er auf einmal.

"Ja, und?" Lonnie klang genervt.

"Seid ihr denn noch nicht auf die Idee gekommen, dass Nicolas ein doppeltes Spiel mit euch treibt? Er könnte euch jetzt genauso behandeln wie uns. Ihr könntet nichts dagegen tun."

"Oh, kleiner, dummer Michael." begann Lonnie. "Wir haben einen entscheidenden Vorteil." Sie zog ein weiteres Pentagon aus ihrer Tasche das in der Mitte blau leuchtete.

"Nicolas vertraut uns. Wir haben unsere Kräfte. Außerdem ist er mir verfallen. Glaubt mir, auf unserer Welt war er C a s a n o v a." Das letzte Wort zog sie wie Kaugummi.

Ich glaubte nicht richtig zu hören. Sie und dieses Kind? Mir war klar, dass in ihm vielleicht wirklich ein Casanova steckte und er auf seiner Welt ein richtiger Mann gewesen war. Doch alleine die Vorstellung die beiden zusammen zu sehen ließ mich erschaudern.

Rath lachte. Er sah mir meinen Ekel wohl an.

"Klasse, Lonnie!" entfuhr es mir plötzlich. Ich war so wütend auf die beiden. Ich hätte mir nie träumen lassen, wie falsch und egoistisch sie wirklich waren. Ihnen war jedes Mittel recht nach Hause zu kommen. Es war schwer zu glauben, dass in ihnen die selben Gene wie in Michael und Isabel steckten.

"Du schreckst wohl vor gar nichts zurück, oder? Er ist ein KIND!"

In der nächsten Sekunde packte sie mich am Hals und schnürte mir die Luft ab.

"Er - ist - kein - Kind." sagte sie wütend. "Wenn hier jemand ein Kind ist, dann bist Du es. Dumm und wehrlos. Nicolas´ Husk mag vielleicht kindlich sein. Doch er ist ein mächtiger Mann. Hast Du verstanden?"

Rath amüsierte sich köstlich und ich fühlte langsam, wie mir schwarz vor Augen wurde. Doch dann liess Lonnie mich los und ich fiel hustend und nach Luft ringend nach hinten.

"Ist alles okay?" fragte Michael immer wieder. Ich konnte nicht antworten. Ich war zu beschäftigt, Luft in meine Lungen zu saugen.

"Keine Sorge, Mikey, Lonnie würde ihr doch nie weh tun..." sagte Rath lachend. "Nicht wahr, Lonnie?"

Schwer atmend sah ich ihn an. Er hatte einen verrückten Gesichtsausdruck aufgesetzt und starrte Michael an. Nun fragte ich mich zum ersten Mal ernsthaft, ob wir wirklich eine Chance gegen die beiden und die Skins hatten...



Teil 5


Nach einiger Zeit hielt der Wagen an und sie brachten uns in eine alte Fabrik.

"Das ist die Ziegelei einige Meilen außerhalb der Stadt." flüsterte mir Michael zu nachdem sie uns in einem alten Lagerraum endlich alleine gelassen hatten.

Ich nickte und sah mich um. Der Raum besaß keine Fenster. Nur eine schwere Metalltür welche nur von außen geöffnet werden konnte. An der Innenseite befand sich noch nicht einmal ein Türknauf. Im Raum selbst lagen nur einige alte Säcke auf die man uns gesetzt hatte und als Beleuchtung hing eine alte Glühbirne von der Decke. Das Pentagon befand sich zwar nicht im Raum, aber Michael konnte seine Kräfte noch immer nicht benutzen was bedeutete, dass es in unserer Nähe war.

"Was tun wir jetzt, Michael?" fragte ich ratlos.

Er überlegte kurz. "Wir werden versuchen, diese Fesseln los zu werden."

"Und dann? Wir kommen hier nicht raus. Für diese Tür braucht man einen Schweißbrenner. Und gegen sie verteidigen können wir uns auch nicht." sagte ich frustriert.

"Du bist ja eine richtige Optimistin." antwortete er trocken. "Los, ich will die Dinger jetzt los werden!" Michael ließ keine Diskussionen zu.

Ich war nicht seiner Meinung. Wenn wir die Fesseln wirklich abnehmen würden, dann würde das die Skins nur reizen wenn sie das nächste Mal den Raum betraten. Also war es wohl das beste, nichts zu unternehmen.

Ich seufzte und rückte näher zu Michael, drehte meinen Rücken seinem zu und versuchte, den Knoten seiner Seile zu lockern. Er versuchte das gleiche bei mir.

Nach einigen Minuten konnte ich das Seil ein Stück aus dem Knoten herausziehen. Ich schreckte zusammen als ich hörte, dass sich jemand von außen an der Tür zu schaffen machte. Schnell setzten wir uns wieder in unsere vorherigen Positionen.

Kurz darauf trat Lonnie herein.

"Nicolas will Dich sehen." sagte sie zu mir und zerrte mich hoch. Sie fuhr kurz mit der Hand über meine Füße und die Seile fielen zu Boden. "Komm schon!"

Ich sah zu Michael, der angespannt zurück blieb. Ich hoffte, dass die Seile nun schon genug gelockert waren, so dass er sich befreien konnte.

"Lonnie, warte!" sagte ich dann.

"Was ist?" entgegnete sie schroff.

"Hör zu, ich weiß, dass wir Dir egal sind. Aber könntest Du bitte wenigstens Michaels Bein heilen? Es ist doch nicht nötig, dass er solche Schmerzen ertragen muss."

"Wieso sollte ich das tun?"

Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Ich wusste noch nicht einmal, ob sie ihn heilen konnte. Vielleicht hatte nur Max diese Fähigkeit? Sie hatte wirklich keinen Grund, es zu tun. Außer dem, Menschlichkeit zu zeigen.

Ihr Blick schien mich zu durchbohren. Die Sekunden, die verstrichen schienen Ewigkeiten zu dauern. Dann endlich sagte sie: "Schön."

Es klang genervt - aber sie ging zu Michael hinüber und legte ihre Hand vorsichtig auf sein Bein. Dieser schloss die Augen. Nach wenigen Sekunden öffnete er sie wieder und sah Lonnie erschüttert an. Sie lachte kurz und stand wieder auf, packte mich am Arm und zog mich weiter aus dem Raum. Hinter mir hörte ich Michael rufen:

"Lass´ nicht zu, dass sie Dich benutzen! Du kannst Dich dagegen wehren! Hörst Du mich?" In seiner Stimme lag Angst - aber wovor?




Als ich neben Lonnie den langen dunklen Gang entlang ging fragte ich mich, was Michael wohl gesehen hatte als Lonnie seinen Beinbruch geheilt hatte. Max hatte mir erzählt, dass er bei Heilungen immer persönliche Erinnerungen der Personen sehen konnte. Doch was meinte Michael mit "mich benutzen"?

Ich hoffte, dass er sich bis zu meiner Rückkehr befreit haben würde. Vielleicht konnte er Lonnie überwältigen...

Ich unterbrach meine Überlegungen als Lonnie mit ihrer Kraft eine schwere Tür am Ende des Flurs öffnete. Wir betraten eine große Lagerhalle in der viele Skins versammelt waren. Wenn ich mich umblickte sah ich nur verachtende Blicke welche auf mich gerichtet waren. Also blickte ich nur starr geradeaus - auf Nicolas der umringt von einigen anderen auf uns wartete.

Lonnie führte mich zu einem Stuhl der bei Nicolas stand. Eingeschüchtert und ängstlich sah ich ihn an.

"Unsere Leute haben Probleme Max und den Rest eurer kleinen Bande zu finden." begann Nicolas "Rath war so nett uns mitzuteilen, dass Du doch noch zu etwas zu gebrauchen wärst." Er blickte zu ihm auf. "Rath?"

Dieser grinste und sagte dann: "Du weißt sicherlich, dass zwischen den königlichen Vier eine "Verbindung" besteht. Nur haben die vier es noch nicht raus, sie richtig zu benutzen. Isabel war schon nah dran mit ihrem Traumwandel. Doch die haben echt keinen Schimmer, zu was man das ganze noch gebrauchen kann."

Er kam langsam näher. "Jetzt wollen wir mal sehen, ob auch wir eine Verbindung zu den drei restlichen "Königskindern" herstellen können..."

"Und wozu braucht ihr mich?" Ich verstand nicht so recht worauf er hinaus wollte.

Nun meldete sich Nicolas wieder zu Wort.

"Viel Intelligenz haben sie Dir wohl nicht mit gegeben, oder?" Er machte eine kurze Pause bevor er weiter sprach. "Ach nein - Du hast ja alles vergessen, entschuldige!" Ich hatte nie einen sarkastischeren Menschen erlebt als ihn.

"Also gut, dann nochmal für Dich, meine liebe. Die Verbindung besteht zwischen den königlichen Vier. Aber immer nur zwischen ihnen untereinander. Das liegt daran, dass dieser "Link" in den Geburtskammern geschaffen wurde. Und da Rath und Lonnie nicht bei den anderen waren, können sie keinen Kontakt zu "Deinen" Vieren herstellen. Aber Du kannst mit allen Kontakt aufnehmen. Dafür warst Du ja vorgesehen: sie alle zu finden und auf die Rückkehr vorzubereiten. Eine Art "Geschichtslehrerin" eben."

Plötzlich wurde mir alles klar... Sie wollten durch mich Max, Isabel und Tess ausfindig machen!

Als Nicolas´ Hand sich langsam meinem Kopf näherte versuchte ich, mein Innerstes vor ihm zu verschließen. Als der Schmerz durch seine Kraft einsetzte, fühlte ich, wie er auf meine geistige Barriere traf. Der Schmerz bohrte sich immer tiefer und tiefer in mein Gehirn und ich wusste, dass ich ihm nicht Stand halten konnte...




Ich weiß nicht mehr wie lange es dauerte bis er meinen Widerstand gebrochen hatte. Aber es hatte ihm wohl keine großen Schwierigkeiten bereitet.

Vor meinem inneren Auge sah ich plötzlich einen See der umgeben war von sandfarbenen Felsen. Ich hatte das Gefühl, als raste ich direkt über die spiegelglatte Oberfläche des Wassers und sah beim Näherkommen am anderen Ufer Max, Isabel, Tess, Maria, Liz, Alex und Kyle stehen die sich aufgeregt unterhielten.

"Nein, nein, nein!" schrie ich in meinem Inneren. Doch kein Laut kam aus meiner Kehle.

Nicolas hatte mich noch immer unter Kontrolle. Nun wusste er also, wo sie sich aufhielten. Als er endlich seine Hand weg nahm fühlte ich mich so leer und durcheinander, dass ich gar nicht mit bekam, wie ich wieder in den Raum zu Michael zurück gebracht wurde.

Erst als sich die Tür vor mir öffnete nahm ich die Realität wieder wahr. Lonnie ging einen Schritt in die Kammer und blieb stehen.

Michael war nirgends zu sehen. Sie ließ mich los und drehte sich um.

In diesem Moment warf Michael sich auf sie. Er hatte sich hinter der Tür versteckt.

Er und Lonnie krachten zu Boden. Bevor sie reagieren konnte, holte Michael aus und schlug ihr mit seiner Faust ins Gesicht.

Sie blieb bewusstlos liegen.

"Sorry." hörte ich Michael sagen als er aufstand. Er starrte Lonnie einige Sekunden an. Dann trat er zu mir herüber und drehte mich um. Er begann, auch meine Seile zu lockern.

"War wohl doch so keine blöde Idee, die Fesseln los zu werden, was?" fragte er.

"Ich hoffte, dass Du so etwas unternehmen würdest." antwortete ich zerstreut.

Endlich spürte ich, wie er den Knoten geöffnet hatte und die Seile weg zog. Er trat wieder vor mich und sah mich prüfend an.

"Bist Du in Ordnung?" fragte er. Ich nickte.

Er schien nicht überzeugt zu sein. Trotzdem wechselte er das Thema und sagte:

"Draußen ist niemand zu sehen. Lass´ uns hier verschwinden!"

Michael zog die Tür hinter sich zu und wir betraten vorsichtig den Flur. Er erstreckte sich geradeaus und führte in die große Halle in welcher sich die anderen Skins aufhielten.

"In die Halle können wir nicht." flüsterte ich. "Aber wir müssen hier weg. Wenn Lonnie aufwacht, wird sie keine Schwierigkeiten haben, die Tür zu öffnen."

"Verdammt!" sagte Michael. "Wir hätten das Pentagon mitnehmen sollen!" Er drehte sich um und lief zurück zu der Kammer.

Voller Angst beobachtete ich, wie er die Tür öffnete und wieder im Raum verschwand. Ich rechnete damit, dass jeden Moment Lonnie auftauchen würde... doch statt dessen kam Michael mit dem blau pulsierenden Pentagon wieder heraus.

Ich atmete erleichtert auf. Erneut verschloss er die Tür.

"Die wird uns so schnell nicht mehr belästigen." sagte er.

Michael hatte jetzt zwar seine Kräfte zurück - er konnte es aber keinesfalls alleine gegen die Skins in der Halle aufnehmen.

Rechts und Links vom Gang befanden sich mehrere Türen.

Michael ging voraus und öffnete die erste. Dahinter befand sich genauso ein Lagerraum wie der, in dem sie uns gefangen gehalten hatten. Keine Fenster.

"Mist!" entfuhr es Michael.

Also gingen wir zur nächsten Tür - überall nur Lagerräume. Vor der letzten Tür blieben wir stehen.

"Wenn es da drin genauso aussieht bleibt uns nur noch eine Möglichkeit. Wir müssen in die Halle." flüsterte er.

Als er die Tür aufstieß sah ich schon das Tageslicht, das uns entgegen schien.

"Gott sei Dank!" stieß ich leise hervor. Dieses Zimmer schien eine Art Aufenthaltsraum zu sein und das Fenster war mit Gittern verriegelt. Doch das wäre kein Problem für Michael.

Kurz darauf kletterten wir ins Freie.

Um uns herum sah ich nur Wüste und die Sonne brannte vom Himmel herab. In einiger Entfernung ragten Felsen empor.

"Wenn wir es bis dort hin schaffen können wir uns dort verstecken." schlug Michael vor.

Ich nickte und somit rannten wir los.




Mein Kopf pochte von Nicolas´ Gedankenraub und meine Rippen machten mir wieder zu schaffen.

Michael konnte wesentlich schneller laufen als ich. Durch seine außerirdischen Gene hatte er -genauso wie die anderen- schnellere Reaktionen und höhere körperliche Fähigkeiten. Ich hatte diese Fähigkeit schneller zu Laufen mit Sicherheit auch - ich wusste nur nicht, wie man sie aktivierte.

Wir hatten es fast bis zu den Felsen geschafft als wir von einer Kraft zu Boden geworfen wurden.

Ich landete auf dem Bauch und ich hatte das Gefühl, glühende Speere würden sich in meinen Brustkorb bohren.

Als ich aufblickte sah ich, wie Michael sich wieder hochkämpfte. Er stand auf und hob seine Hand.

Langsam drehte auch ich mich um und setzte mich auf.

Einige Meter von uns entfernt stand Rath und hatte ebenfalls seine Hand erhoben.

"Oh mein Gott." flüsterte ich leise. Nun standen sich also zwei gleich starke Gegner gegenüber. Ich fragte mich, wer länger durchhalten würde.

Michael war durch die Tortour, die er durchlebt hatte erheblich geschwächt. Also würde er über kurz oder lang verlieren...

Ich stand auf und hob ebenfalls meine Hand. Rath fing an zu grinsen.

Sicher, es war vielleicht lächerlich von mir zu glauben, dass auch ich diese Fähigkeiten hatte. Ich hatte es mit Tess in unseren Übungsstunden noch nie geschafft irgend etwas zu bewegen oder zu verändern.

Doch ich musste es zumindest versuchen. "Wenn unsere Erschaffer nicht allen die gleichen Kräfte mitgegeben haben, wäre das doch unsinnig gewesen!" sagte ich mir immer und immer wieder.



Teil 6


Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich nur auf meine Hand. Meine gesamten Gedanken drehten sich nur noch darum endlich zu fühlen, wie ein Energiestoss meine Hand verlassen würde.

In meinem Innern fühlte ich, wie sich etwas ballte. Alle Gefühle die ich in den letzten Stunden erlebt und unterdrückt hatte formten sich zu einer Kraft. Sie war heiß und schwer zu kontrollieren.

Mit einem Ruck spürte ich, wie diese Energie zu meiner Handfläche wanderte und dort austrat. Ich öffnete meine Augen und sah eine Welle gleißenden Lichts Rath entgegen schießen.

Im nächsten Moment ging er zu Boden und blieb liegen.

Erschöpft sackte ich zusammen. Ich hatte es geschafft! Zusammen mit Michaels Kraft hatten wir ihn überwältigt! Aber es hatte mich mehr Anstrengung gekostet als ich jemals gedacht hätte.

Michael war in der nächsten Sekunde neben mir und nahm mich am Arm.

"Du kannst es also doch!" schrie er. Dann zog er mich wieder hoch und sagte hektisch: "Wir müssen weg hier. Sie kommen."

Ich blickte auf und erkannte mehrere Personen, die die Fabrik verließen oder bereits schon auf dem Weg zu uns waren.




Michael half mir, das letzte Stück zu den Felsen zu bewältigen. Dort suchte er ein geeignetes Versteck.

In einem kleinen Felsspalt weit im Innern der Felsformation konnten wir uns endlich für einige Sekunden setzen.

Außer Atem fragte Michael: "Was hat Nicolas mit Dir gemacht als Lonnie Dich weg brachte?"

Erschrocken sah ich ihn an. Ich hatte vollkommen vergessen, dass Nicolas seine Leute ausgeschickt hatte, um Max und die anderen zu finden.

"Er hat mich benutzt, um die anderen zu finden. Um zu sehen, wo sie sich aufhalten."

"Verdammt!"

"Es tut mir leid, Michael." Ich fühlte mich schuldig, so als hätte ich alle verraten.

"Nein." entgegnete er. "Du konntest nichts dagegen tun. Genau das hat Lonnie mir gezeigt, als sie mein Bein geheilt hat. Sie hat mir gezeigt was er mit Dir machen würde. Und sie zeigte mir, was sie mit uns allen machen würden wenn sie erst mal den Granilith aktiviert hätten..."

Das hatte ihn also so erschreckt.

"Und was?" fragte ich leise.

"Sie wollen uns öffentlich hinrichten. Auf unserem Heimatplaneten."

Ich sah ihn an und wusste, was das bedeutete. Ich erinnerte mich an unsere alte Heimat und Hinrichtungen, die die Skins nach Beginn des Krieges vollzogen hatten. Es war das schrecklichste, was ich mir vorstellen konnte.




Auf einmal wurde mir bewusst, dass ich freien Zugang zu diesen Erinnerungen erhalten hatte! Keine Vision oder ein Blackout hatte sie mir gezeigt...

"Michael! Ich erinnere mich!" sagte ich erstaunt.

"Was? An die Hinrichtungen?" fragte er.

"Nein. An alles! Ich habe Zugang zu meinen Erinnerungen!" Ich konnte es nicht fassen.

Gerade als Michael etwas darauf sagen wollte, hörten wir, wie sich Schritte näherten. Michael packte meine Hand und zog mich tiefer in die Felsspalte hinein. Vielleicht gab es an der anderen Seite einen Durchgang durch den wir wieder hinaus gelangen würden...

Die Spalte wurde zunehmend enger und ich befürchtete, dass wir bald nicht mehr weiter kommen würden. Immer wieder sah ich zurück. Doch bis jetzt hatte wohl noch niemand bemerkt, wo wir uns versteckt hielten.




Leider kamen wir wirklich an einen Punkt, an dem wir nicht mehr weiter konnten. Wir standen eng an die Felsen gepresst und hofften, dass niemand so weit hinten suchen würde.

"Ich muss die anderen warnen." sagte ich dann zu Michael.

"Was meinst Du damit? Kannst Du das?"

"Als Nicolas mich benutzte um Max, Tess und Isabel zu finden hat er gesagt, dass ich eine Verbindung zu euch allen herstellen könnte. Er hat mich gezwungen, ihn diese Verbindung übernehmen zu lassen. Aber ich weiß nun, wie er es getan hat. Ich glaube, ich könnte es wieder schaffen."

"Dann versuche es!"

Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf den Punkt, in den sich der Schmerz durch Nicolas´ Kraft zuvor gebohrt hatte. Kurz darauf erschien mir das Bild von Max´ Jeep vor Augen. Darin befanden sich auch Tess und Isabel sowie Liz. Hinter dem Jeep fuhr Maria´s Jetta her.

Erleichterung breitete sich in mir aus - noch hatten Nicolas´ Leute sie also nicht gefunden. Aber ich wusste nicht, wie ich mit ihnen in Kontakt treten sollte...

Es kam mir vor, als würde ich schweben und könnte dem Jeep einfach hinterher fliegen. Noch als ich dies dachte, geschah es.

Ich folgte dem Jeep und schaffte es, ihn einzuholen. Dann begab ich mich ins Innere und versuchte einfach, die drei zu rufen.

"Könnt ihr mich hören?" fragte ich in Gedanken.

Ich sah, wie Isabel als erste zusammenzuckte und sich umsah.

"Isabel?" sagte ich dann mit innerer Stimme.

Erschrocken schossen ihre Augen suchend umher.

"Hört ihr das?" sagte sie auf einmal.

"Was?" fragte Max.

"Da ist eine Stimme. Halt´ an, Max."

Der Jeep stoppte.

"Hallo?" rief Isabel.

"Ich bin es, Jen. Ich habe Kontakt zu euch aufgenommen um euch zu warnen."

"Oh mein Gott! Es ist Jen!" rief Isabel den anderen zu.

"Ich kann nichts hören." bemerkte Tess.

Dann dachte ich, dass ich mich vielleicht zu sehr auf Isabel konzentrierte und versuchte, auch Max und Tess mit einzubeziehen.

"Hört ihr mich jetzt alle?" fragte ich.

Max und Tess´ Reaktionen beantworteten meine Frage.

"Ja." sagte Isabel.

"Okay, hört mir zu. Nicolas hat Männer ausgeschickt um euch zu finden. Sie wollen uns alle zum Granilith bringen um ihn zu aktivieren. Ihr müsst euch unbedingt verstecken. Fahrt wieder los und verschwindet!"

"Aber wo seid ihr? Geht es euch gut?"

"Uns geht es gut. Wir sind entkommen, doch sie suchen nach uns. Es sieht nicht gut aus. Ich weiß nicht, ob ich noch mal die Gelegenheit habe, euch zu kontaktieren."

"Wo seid ihr?" fragte nun Max erneut.

"Michael sagte mir, es sei die alte Ziegelbrennerei außerhalb der Stadt. In der Nähe sind einige Felsen in denen wir uns gerade verstecken. Aber kommt nicht, um uns zu holen. Es sind zu viele Skins hier unterwegs. Bringt euch in Sicherheit, hört ihr? Ich muss aufhören, ich kann die Verbindung nicht länger aufrecht erhalten..."

Dann war es auch schon vorbei. Als ich meine Augen aufschlug sah ich Michaels erwartungsvolles Gesicht.

"Was ist passiert?" fragte er.

"Ich... habe sie erreicht. Sie sind okay." sagte ich leise. Ich war so erschöpft, dass ich jeden Moment hätte einschlafen können. "War gar nicht so leicht..."

"Kann ich mir vorstellen." gab Michael zurück. Aber er war sichtlich erleichtert.




Während wir länger und länger in dieser Felsspalte standen und um uns herum Rufe der Skins zu hören waren wurde uns bewusst, dass wir in der Falle saßen. Sie würden nicht aufgeben, ehe sie uns nicht gefunden hatten.

Ängstlich sah ich immer wieder an den Felswänden entlang nach oben. Etwa 5 Meter über uns konnte man den Himmel sehen.

"Wir könnten warten bis es dunkel wird und dann dort hoch klettern." sagte ich zu Michael.

Auch er blickte nach oben und wägte unsere Chancen ab. Er nickte leicht. "Wenn sie uns nicht vorher finden... und es wird schwierig im Dunkeln zu klettern."

Wir beschlossen, wieder ein Stück zurück zu gehen um uns wenigstens setzen zu können. Wir waren beide ausgelaugt und hatten den ganzen Tag noch nicht einmal etwas Wasser zu uns nehmen können.

Mit jedem Meter den wir zurück legten stieg aber auch die Gefahr, von den anderen entdeckt zu werden. Vielleicht suchten sie ja schon in der Spalte nach uns?

Schritt für Schritt gingen wir langsam weiter. Michael ging voraus und blieb plötzlich ruckartig stehen. "Da ist jemand!" flüsterte er hektisch und drängte mich wieder etwas zurück.

Mein Herz pochte mir bis zum Hals und auch Michael stand die Anspannung ins Gesicht geschrieben.


Zu den Teilen 7-9

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