Disclaimer: Alle Rechte an den in dieser Fanfic erwähnten Personen liegen bei Pet Fly Productions und Paramount Pictures.

Vielen lieben Dank an Pat für's Beta. :-)



Kaffees und Klischees

von Sinaida


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von Pat :-)





"Sandburg!"

"Hmmm?"

"Wo ist der Kaffee?"

"Was?" Blair sah irritiert von seiner Tätigkeit auf. Er war gerade damit beschäftigt einen äußerst widerspenstigen Klappstuhl in eine geeignete Sitzposition zu bringen. "Da, wo ich ihn hingestellt habe, auf dem Tisch. Du stehst direkt davor." Er deutete in Richtung des windigen Gestells, das kaum die Bezeichnung "Tisch" verdiente.

"Okay." Jim sortierte die Gegenstände vor sich. "Wir haben Sandwiches, Donuts, Servietten, Mineralwasser, noch mal Servietten und *keinen* Kaffee. Oder gibt es hier noch einen anderen Tisch, den ich übersehen habe?"

"Ahm ..." Vorsichtig erhob sich Blair aus dem Klappstuhl, in Erwartung dessen, dass er jedem Moment seinem Namen alle Ehre machen und einfach zusammenklappen würde. Er trat neben seinen Partner und ließ den Blick suchend über die Tischplatte schweifen.

"Oh, dann muss ich wohl den Tisch bei Starbuck's gemeint haben. Ich hab' die Becher nur kurz abgestellt um Servietten mitzunehmen." Er zuckte mit den Schultern und lächelte entschuldigend. "Hab ihn dort wohl vergessen."

"Vergessen?" Jim sah ihn entgeistert an und ließ sich schwer in den zweiten Klappstuhl sinken, der ein warnendes Ächzen von sich gab.

"Sandburg, das darf nicht wahr sein. Wir sitzen hier in diesem Cafe, abkommandiert zu einer höchstwahrscheinlich völlig sinnlosen Observierung ..."

"Also, das sieht der Captain aber ganz anders ..."

"... da manche Informanten bei der Aussicht auf fünfzig Dollar plötzlich *alles* wissen, sogar wer Kennedy ermordet hat ..."

Blair hob indigniert die Augenbrauen. "Das weiß doch jeder. Die CIA."

"Sandburg!"

Jims entsetzter Blick ließ Blair breit grinsen.

"Uh... ich wollte natürlich sagen: Lee Harvey Oswald."

Jim rollte die Augen und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. "Es ist kurz vor sechs Uhr morgens, das heißt, wir sitzen für die nächsten fünf Stunden hier fest bis Rafe und Brown uns erlösen und ..."

"Vier Stunden dreiundfünfzig Minuten und außerdem ..."

"... das alles ohne Kaffee!"

"... sitzen wir *nicht* in einem Cafe, was wirklich schön wäre, sondern in einer leer stehenden Wohnung in einem stinknormalen Haus." Blair fröstelte und zog seine Jacke enger um sich. "In einer feuchten, zugigen, kalten Wohnung, wie ich anmerken möchte ..."

Er unterbrach sich und warf Jim einen misstrauischen Blick zu. "Wie kommst du überhaupt auf dieses ‚Wir sitzen in einem Cafe' - Zeug? Halluzinationen auf Grund von Koffeinentzug?"

Jim stand auf, trat an eines der schmalen Fenster und bedeutete Blair hinaus zu sehen. "Da drüben, genau gegenüber, neben der Lagerhalle."

Neugierig kam Blair näher und spähte durch die verschmierte Scheibe.

"Neben der ...? Ah, okay. Und?"

"Das "Black and White". Ein Coffee-Shop. Nein, *der* Coffee-Shop. Sie haben alle Sorten, in allen Geschmacksrichtungen. Ein El Dorado für Kaffeetrinker."

"Klingt nach Simons Stammlokal."

Jim lächelte und warf Sandburg einen flüchtigen Blick zu. "Wundert mich, dass *du's* nicht kennst. Jedenfalls ist das Aroma hier überall. Ich rieche den Kaffee, habe ihn schon in dem Moment gerochen, als wir in den Southdrive abgebogen sind. Jede einzelne Bohne. Für mich ist das, als säße ich tatsächlich *in* diesem Cafe, Chief."

Blair erwiderte das Lächeln. "Wow!"

Ein nachdrückliches Nicken. "Und dann habe ich mir gedacht: Jim, freu dich, du bist ein glücklicher Mann, denn du musst dich nicht mit dem Duft zufrieden geben. Neben dir sitzt Blair und in seinen Händen hält er eine Tüte in der sich *dein* Kaffee befindet. Ein großer schwarzer ..."

"Nun ja." Blair lächelte verlegen. "Es wäre wohl eher ein großer brauner Kaffee gewesen. Ich habe nämlich aus Versehen auch in deinen Milch getan."

Mit einem Laut, halb Schnauben, halb Grunzen warf Jim seinem Partner einen Seitenblick zu: "Ich wäre jetzt sogar mit diesem Cappuccino-Zeug zufrieden, das du immer trinkst und ..."

"Latte Macciato."

Jim winkte ab. "Wie auch immer. Aber nun muss ich erfahren, dass mein Partner, der Mann für den ich Tag täglich mein Leben riskiere, meinen Kaffee hat stehen lassen. Einfach so vergessen. Das ist hart, Chief"

Blairs grinste. "Jetzt wird mir klar, warum ich ihn vergessen habe. Eine Reaktion meines Unterbewusstseins auf zu viele Klischees."

Er zählte unter zu Hilfenahme seiner Finger auf: "Also, da wäre das ‚Zwei Cops auf langweiligem Stakeout in Bruchbude' - Klischee, das ‚Cops essen auf Stakeout prinzipiell Donuts' - Klischee, das ‚Harte Cops bilden täglich mindestens fünf Sätze in denen das Wort "Partner" in Verbindung mit "Leben riskieren" vorkommt' - Klischee und das ‚Extra harte Cops verständigen sich nur durch Blicke und Grunzlaute' - Klischee."

Ein indifferenter Blick Jims ließ ihn kurz innehalten und irritiert die Stirn runzeln.

"Okay, daran muss ich wohl noch arbeiten. Egal, das ‚Cops auf Stakeout trinken literweise Kaffee' - Klischee hätte ich jedenfalls nicht mehr verkraftet und so hab ich den Kaffee, in einer von meinem Unterbewusstsein diktierten Handlung, einfach vergessen."

Jim sah ihn kopfschüttelnd an. "Du spinnst manchmal wirklich, Chief. Aber vermutlich ist das einer der Gründe, warum ich dich so mag."

Blair blieb buchstäblich der Mund offen stehen.

Mit einem selbstgefälligen Schmunzeln fügte Jim hinzu:

"Das war übrigens das ‚Harte Cops neigen auf langweiligen Stakeouts dazu über ihre Gefühle zu sprechen' - Klischee."

Blair fand seine Sprache wieder: "Ähm, nein, das trifft nur dann zu wenn es Nacht ist und besagte Cops im Auto sitzen."

"Du musst es ja wissen." Jim streckte sich gähnend ehe er mit der Hand vage in Richtung der verschlossenen Kisten wedelte, die vor dem Tisch auf dem Boden standen. "Fang schon mal an die Ausrüstung da aufzubauen. Ich will wenigstens noch einen Moment ungestört den Kaffee *riechen*, wenn ich ihn schon nicht trinken kann."

Damit schloss er die Augen und atmete tief ein.

Blair seufzte und murmelte: "Und das ist sicher das ‚Der Junior-Partner macht immer die Drecksarbeit' - Klischee."

Er verließ seinen Platz am Fenster, ging neben einer der Kisten in die Hocke und beschäftigte sich mit dem Metallverschluss, der sich als ebenso wenig kooperationsbereit wie der Klappstuhl erwies.

"Warum, zum Teufel, schweißen die die Dinger nicht gleich zu?" Frustriert zerrte er an dem widerspenstigen Riegel und stauchte sich einen Finger an dem Deckel der Kiste, als der Verschluss plötzlich nachgab. "Aua! Mist!"

Jim, blind und taub gegenüber den Nöten seines Partners, schnupperte genießerisch. "Mokka." murmelte er träumerisch. "Und Eierlikör."

"Was?" Blair rieb sich die Hand und sah auf.

"Ich rieche Eierlikör. Und Kirschwasser."

"Echt? Was noch? Banane? Oder Rum, vielleicht?" Halbherzig nestelte Blair am Verschluss der zweiten Kiste, während er Jim erwartungsvoll anblickte.

"Hm, warte ..." Jim schnupperte wieder. "Ja, Rum und Banane. Wie ...?"

"Bingo." Blair grinste. "Weißt du was das bedeutet, Jim?"

Jim seufzte. "Nein Chief, aber du wirst es mir hoffentlich heute noch sagen."

"Das bedeutet, dass sie hier offensichtlich österreichische Kaffeespezialitäten haben und ich endlich weiß, womit ich Naomi überraschen kann, wenn sie mal wieder in Cascade auftaucht. Also, Kirschwasser, Rum, Bananen - und Eierlikör im Kaffee habe ich das letzte oder besser gesagt das erste und einzigen Mal in Wien getrunken und ..."

"Du warst in Wien?"

"Ja. 1989. Mit Naomi. Wir haben da einen alten Freund von ihr besucht. Er ist Diplomat und wollte unbedingt, dass wir unseren Urlaub bei ihm verbringen. Der Mann hat nicht locker gelassen, ständig geschrieben und angerufen."

Mit hörbarem Klicken sprang der Riegel auf. "Na endlich!" Ein Blick in die Kiste ließ Blair aufstöhnen. "Das darf doch nicht wahr sein! Wer hat denn das Zeug *so* hier reingepackt?" Kopfschüttelnd begann er eine Reihe hoffnungslos verknoteter Kabel zu entwirren und fuhr fort.

"Wo war ich? Ach ja ... na, du kennst ja meine Mom, sie hat ihm sicher total den Kopf verdreht und ..."

Jim rollte die Augen "Chief, das wäre dann das ‚Alle Männer sind verrückt nach Naomi' - Klischee. Und das verkrafte *ich* nicht. Also, erspar mir diesen Teil der Sandburgschen Familiengeschichte, ja?"

"Naja ..." Blair runzelte die Stirn. "Streng genommen ist das ein Axiom, aber okay." Er grinste und sagte in bester Imitation seiner Mutter: "Das höre ich."

Jim warf einen Blick gen Himmel, musste aber trotzdem lachen. Mit einer Handbewegung forderte er Blair auf weiter zu erzählen.

"Also, er war mit uns in einem dieser Kaffeehäuser. Und dort gibt es ganz fantastische Mischungen. Allein schon der Klang der Namen lässt einem das Wasser im Mund zusammen laufen. Melange, Wiener Melange, kleiner Gold, großer Brauner, großer Schwarzer." Blair seufzte.

"Für mich klingt das eher nach Malerbedarf." bemerkte Jim.

Blair warf ihm einen indignierten Blick zu. "Du hast eben keine Ahnung."

"Wie auch? Ich komme ja in letzter Zeit nicht mehr zum Kaffeetrinken, da mein Partner ihn ständig irgendwo vergisst."

"Ja, ja, verklag mich doch. Außerdem habe ich *meinen* Kaffee ja auch stehen lassen. Und glaube mir, ich hätte jetzt auch gerne eine Tasse. Sehr gerne sogar."

Blair legte ein entwirrtes Kabel zur Seite und zielte mit dem losen Ende eines anderen auf seinen Freund.

"Also, ich war noch nicht fertig. Außerdem gibt es da noch die alkoholischen Sorten. Mit Eierlikör, zum Beispiel, das ist dann ein ... hm ... Einspänner, oder?"

Mit einem abschätzenden Blick auf die ausgefranste Isolierung des Kabels ließ er es wieder in die Kiste fallen und fuhr sich nachdenklich durchs Haar.

"Nein, warte, Pharisäer, glaube ich. Mit Rum, das nennen sie Fiaker. Oder Mozart Kaffee? Es ist eben schon eine Weile her und ich bin mir nicht *ganz* sicher. Mit Bananenlikör ..."

Jim hob die Hände in einer abwehrenden Geste. "Okay, okay, es reicht, Chief. Komm zum Punkt, wir haben noch einen Job zu erledigen."

"Ja, klar. Also, jedenfalls, wenn Naomi mal wieder in der Stadt ist, lade ich sie in dieses Cafe hier ein. Sie schwärmt nämlich heute noch von Wien und dem Kaffee dort."

Aber Jim hörte schon nicht mehr zu. Er lauschte mit geschlossenen Augen und schräg geneigtem Kopf einem Geräusch, das nur er hörte.

"Was?" Blair flüsterte unwillkürlich. "Ist es Salvatore? Jim, was ist?"

Keine Reaktion.

Mit einem unterdrückten Fluch richtete sich Blair auf, trat neben seinen Partner und legte ihm eine Hand auf den Arm. "Jim, komm schon."

Der drängende Tonfall zeigte Wirkung. Mit einem Blinzeln schüttelte Jim kurz den Kopf und erwachte aus seiner Starre. "Alles okay, Chief." Er warf einen Blick aus dem Fenster. "Er ist da. Salvatore ist gerade vor der Lagerhalle angekommen. Hätte ich nicht gedacht, dass der sich tatsächlich hier blicken lässt - und er ist nicht alleine." Jim fixierte die andere Straßenseite. "Tja und damit hätten wir einen Fall für das ‚Freu dich nicht zu früh' - Klischee."

"Das ist eigentlich ein Sprichwort. Warum?"

"Der Mann neben Salvatore ist Kevin Sanders, der Besitzer des "Black and White". Und sie verhandeln gerade über einen Waffenschmuggel nach Paraguay."

"Wir haben ihn! Ja!" Triumphierend ballte Blair eine Hand zur Faust. "Der Tag ist gerettet, Mann."

"Was den Fall angeht, sicher." Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck zückte Jim sein Handy. "Aber ..."

"Aber ... was?"

Er streifte Blair mit einem leichten Lächeln. "Du kannst jetzt entweder in den nächsten zwanzig Minuten dort noch schnell Kaffee trinken, bevor die Spezialeinheit anrückt und den Laden auf den Kopf stellt oder du wartest ein paar Jährchen bis der gute Sanders seine Zeit im Knast abgesessen hat."

Ohne ein Wort zu erwidern schnappte Blair sich seinen Schal und rannte zur Tür.

"Hey, Sandburg! Was soll das? Wo willst du hin?"

"Kaffee trinken. Solange es noch geht." Er warf Jim einen Blick über die Schulter zu. "Kommst du? Wir hatten diese Woche nämlich noch keinen Fall für das ‚Gute Cops haben ständig Ärger mit der Abteilung für Innere Angelegenheiten' -Klischee."

Kopfschüttelnd steckte Jim das Handy wieder ein und folgte seinem Partner nach draußen. "Ich hoffe nur Simon erinnert sich noch an das ‚Der Captain haut seine Jungs immer wieder raus' -Klischee."

"Wir können ihm ja einen Kaffee mitbringen. Dann fällt es ihm schon wieder ein."

E N D E


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