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Das ist ein Epilog zu der letzten Folge 'Die Wahrheit über den Sentinel'.
Die Handlung der Story beginnt in etwa dort, wo die letzte Folge endet.


Do I have to say the words?

von Sinaida



                                                        Do I have to say the words?
                                                        Do I have to tell the truth?
                                                        Do I have to shout it out?
                                                        Do I have to say a prayer?
                                                        Must I prove to you - how good we are together?
                                                        Do I have to say the words?
                                                                             (Bryan Adams - Do I have to say the words)


Alles war wieder gut.
Simon und Conner waren aus dem Krankenhaus entlassen worden, Klaus Zeller, der Iceman, war tot.
Und Sandburg hatte etwas getan, was ich nie von ihm erwartet hätte.
Er hatte gelogen.
Er hatte vor laufenden Fernsehkameras behauptet, dass seine Dissertation ein Schwindel war und er ein Betrüger.

Für mich bedeutete es, die neugierigen Reporter wieder los zu sein, mein normales Leben zurück zu haben. Für alle Welt, bis auf wenige Eingeweihte, war ich wieder Jim Ellison der Cop und nicht Jim Ellison der Sentinel.

Doch das, was mich gerettet hatte, bedeutete für Blair das Ende seiner Karriere und seines guten Rufes als Wissenschaftler. So schnell würde ihm niemand mehr Glauben schenken. Doch zum Glück gab es das Angebot von Simon, Sandburg könne nach dem Besuch der Polizeiakademie als mein offizieller Partner mit mir zusammen arbeiten. Mit Gehaltsscheck. Kein unbezahlter Beobachter mehr, sondern ein Teil des Ganzen.

Es war wie das Ende eines guten Filmes. Nach einem spannenden, furiosen, ungewissen Mittelteil folgte der Schluss mit Happy-End . Die Guten gewinnen, die Bösen verlieren. Ein Stück Gerechtigkeit mehr.
Alle sind glücklich und zufrieden.
Alle sollten glücklich sein, verdammt noch mal.

Doch wenn ich das Gesicht meines Freundes betrachtete, der schweigend neben mir im Auto saß während wir nach Hause fuhren, dann war mir klar, dass zumindest einer nicht glücklich war.

Dabei hatte Blair mir noch vor ein paar Stunden versichert, wie dankbar und froh er für Simons Angebot war.
Wir hatten nach Dienstschluss Pizza bestellt und in Simons Büro eine kleine Party improvisiert.
Simon, Conner, Henri, Joel, Rafe, Naomi, Sandburg und ich. Wir hatten uns über einige kuriose Fälle unterhalten, die wir bearbeitete hatten und Naomi hatte ein unglaubliches Erlebnis von einer ihrer Indien-Reisen erzählt. Ich glaube, es ist in diesem Raum seit dem er gebaut worden war, noch nie so viel gelacht worden wie in diesen paar Stunden. Nicht, dass die Geschichten wirklich so lustig gewesen wären, aber wir alle waren wohl einfach froh, am Leben zu sein und alles gut überstanden zu haben.

Doch Blair war immer stiller geworden.
Er hatte diese Momente, das wusste ich. Die meisten anderen dachten, er sei immer der strahlende, vor Begeisterung überschäumende, ständig redende Student, eine nie versiegende Quelle oft wichtiger aber manchmal auch völlig überflüssiger Informationen.
Aber ich kannte ihn besser.
Ich hatte schon mehr als einmal gesehen, wie er in grüblerisches Schweigen versank, wenn er mit einer besonders grausamen Realität der Polizeiarbeit fertig zu werden versuchte. Doch bisher war es immer so gewesen, dass er bereitwillig darüber gesprochen hatte, was ihn beschäftigte, sobald er mit mir alleine war.

Diesmal nicht.
Ich hatte auf der Fahrt nach hause schon ein paar mal versucht, zu erfahren, was los war, doch als Antwort nur ein knappes "Ich denke über etwas nach, Jim." erhalten.
Ja, das war deutlich zu bemerken.
Als wir an der Kreuzung ankamen, die in Richtung Blairs Universität führte - ehemalige Universität- verbesserte ich mich in Gedanken, wurde er plötzlich neben mir lebendig.

"Jim, könntest du mich bitte eben bei Rainiers vorbeifahren? Ich muss da noch schnell was erledigen. Du musst auch nicht warten, ein Freund von der Uni fährt mich dann heim."
"Okay, aber ich dachte, du hättest dein Büro dort schon heute Vormittag geräumt."
"Ja. Aber ich treffe mich gleich mit Charles Meadows, das ist der Dozent, der das Büro von mir übernimmt. Ich hab da noch ein paar Regale drin, die mein Eigentum sind und er kauft sie mir vielleicht ab. Außerdem sollte ich ihm heute noch die Schlüssel geben. Ab morgen habe ich in den heiligen Hallen nämlich nichts mehr verloren."

Bildete ich mir das ein, oder war da ein leichter Vorwurf in seiner Stimme? Oder glaubte ich das zu hören, weil ich mich irgendwie schuldig fühlte?
Ich lenkte das Auto auf den Parkplatz der Universität und schaltete den Motor aus.
Mit einem Seufzer sagte ich:
"Häuptling, es tut mir leid."
"Was?" Er sah mich etwas überrascht an.
"Dass du das hier alles verloren hast. Deine Arbeit an der Uni. Wegen mir. Ich weiß doch, wie viel es dir bedeutet."

Blair schüttelte den Kopf und presste für einen Moment die Lippen fest zusammen. Dann sagte er: "Das muss dir nicht leid tun. Es war meine Entscheidung, Jim. Zu behaupten, dass meine Dissertation eine Fälschung ist, war die einzige Möglichkeit, uns noch irgendwie heil aus diesem ganzen Schlamassel heraus zu bringen. Die Reporter hätten dich sonst bei lebendigem Leibe seziert, Mann.
Von den Wissenschaftlern mal ganz zu schweigen. Du wärst das Forschungsobjekt des Jahrtausends geworden. Dein Leben, wie du es kennst wäre aus und vorbei gewesen. Keine Privatsphäre mehr. Einen kleinen Vorgeschmack hattest du ja schon. Und glaube mir, das war nur der Anfang."
Er schenkte mir ein flüchtiges Lächeln.
Ich nickte. "Ja, das hat gereicht. Aber...ich fühle mich irgendwie...schuldig."
Er unterbrach mich.
"Jim, was ich getan habe war keine spontane Entscheidung, so aus dem Bauch heraus, ich habe sie bewusst getroffen, verstehst du und mir war klar, dass sie Konsequenzen haben würde. Du musst dich nicht schuldig fühlen, wirklich nicht."
Etwas leiser fügte er hinzu: "Dafür nicht."
Er öffnete die Tür und machte Anstalten auszusteigen.

Ich griff nach seinem Arm, hielt ihn fest und fragte leise: "Wofür dann, Blair?"
Er nagte an seiner Unterlippe. Es war deutlich zu sehen, wie er mit sich kämpfte. Reden oder nicht?
Schließlich zog er die Tür wieder zu, etwas fester als nötig, und wandte sich mir zu.
"Weißt du, Jim, es gibt eine Sache, die ich nicht verstehe, sie will mir einfach nicht in den Kopf, wie sehr ich auch darüber nachdenke..." Er holte tief Luft.
Ich hielt seinen Arm noch immer fest, drückte ihn leicht und - wie ich hoffte - aufmunternd und ließ meine Hand dann sinken.
"Was ist es, hm?"

Er senkte den Kopf. Nach einem Moment des Schweigens sagte er sehr leise:
"Ich kann nicht begreifen, wie du glauben konntest...wie du auch nur den Bruchteil einer Sekunde lang glauben konntest, das ich das mit Absicht getan habe. Das ich dich verkauft habe. Ich...ich verstehe nicht wie du überhaupt nur denken kannst, das ich jemals irgendetwas tun könnte, was dich so sehr verletzen würde. Ich meine, Mann, wir kennen uns schon so lange, habe ich dir denn nicht bewiesen, dass du mir vertrauen kannst?"
Er sah mir jetzt direkt in die Augen und es fiel mir nicht leicht seinem Blick standzuhalten. Seine Stimme war nicht vorwurfsvoll oder anklagend, sondern sie drückte dasselbe aus wie seine Worte, Traurigkeit und Verwirrung. Und er wollte eine Antwort.

Ich fuhr mir mit der Hand über das Gesicht. Das versprach eines dieser Gespräche zu werden, denen ich am liebsten aus dem Weg ging. Aber ich schuldete Blair eine Antwort. Mehr noch als das, aber vielleicht genügte das ja erst einmal.

"Ich vertraue dir. Es ist nur..." ich zögerte. Himmel war das schwer. "Häuptling, ich habe eines gelernt aus all den Dingen die ich erlebt habe. Es gibt nie absolute Sicherheit, verstehst du? Man...man kann nie hundertprozentig sagen, dass der Mensch, dem man heute sein Leben anvertrauen würde, einem nicht morgen eine Kugel in den Rücken jagt. Und als diese Reporter auf mich zugestürmt sind und mir alle diese Fragen über meine Sinne gestellt haben, da konnte ich nicht mehr klar denken. Es war so, als wäre mein schlimmster Albtraum Wirklichkeit geworden. Ich habe mich einfach verraten gefühlt. Im Stich gelassen."

Er nickte. "Das verstehe ich sogar. Aber warum hast du mir danach nicht zugehört? Du hast mir keine Chance gegeben meine Seite dieser ganzen Sache zu schildern. Du hast einfach..." er schluckte hart und verstummte, sah aus dem Autofenster in die Nacht.
Ich wartete.
Nach einem Moment fuhr er fort, den Blick immer noch auf den dunklen Parkplatz gerichtet.
"Jim, unsere Freundschaft ist für mich eine dieser...dieser magischen Dinge die man einmal im Leben findet und nie wieder. Etwas kostbares. Wie ein Geschenk. Aber du wirfst sie einfach weg. Wie...ja, wie emotionellen Ballast den du nicht länger mit dir rumschleppen willst.
Okay, es war ein Fehler, dass ich nicht besser aufgepasst habe, dass niemand meine Arbeit in die Finger bekommt bevor ich mit dir darüber gesprochen habe..." Er strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sagte, fast wie zu sich selbst:
"Ein Fehler, Mann, ein Missverständnis und...zack... das war`s. Ich bin raus aus dem Spiel. Raus aus deinem Leben, so als hätten die letzten drei Jahre nicht existiert."

Er hatte Recht. Er hatte absolut Recht. Ich hatte allzu bereitwillig den Gedanken genährt, das er mich die ganze Zeit nur als Studienobjekt betrachtet hatte um mich dann bei günstiger Gelegenheit fallen zu lassen und selber den Hauptgewinn zu kassieren in Form von Geld und Ruhm. Es war für mich leichter - ungefährlicher - wütend zu sein, als mir die Wahrheit einzugestehen.

Die Wahrheit, dass es mich zutiefst erschreckt hatte, als mir klar geworden war, dass er die Macht hatte mich so zu verletzen. Eben weil er mein Freund war, weil ich ihm vertraute. Mehr als sonst jemandem.
Und dann hatte die typische Ellison-Selbstschutz- Reaktion eingesetzt und ich hatte ihn weggestoßen um zu verhindern, dass er merkte, wie viel er mir bedeutete.
Das schlimmste war, ich konnte es ihm noch nicht einmal sagen. Es war einfach nicht meine Art. Ich bewunderte die Leichtigkeit, mit der er solche Worte fand und den Mut, dass er sie aussprach, aber ich konnte es nicht.

Aber irgendetwas musste ich sagen.
"Blair, es tut mir leid, wirklich." Das war lahm und ungenügend, aber alles, was ich im Moment herausbrachte.

"Ja, ich weiß. Echt, Mann. Aber das ist nicht der Punkt."
Er wandte sich mir zu, sah mich an und unterstrich seine Worte mit Gesten. Der abwesende Ausdruck war von seinem Gesicht verschwunden, er war jetzt im Lehrer-Modus.
"Weißt du, ich werde immer wieder Fehler machen oder dich enttäuschen. Menschen sind nun mal nicht perfekt. Aber ich kann nicht ständig in der Ungewissheit leben, dass jedes Mal wenn das passiert, ich meine Sachen gepackt finde und du mich raus wirfst, oder mir die Freundschaft kündigst, ohne dir auch nur anzuhören, was ich dazu zu sagen habe.
Was ich sagen will ist, es muss doch möglich sein, solche Probleme zu klären, ohne dass ich gleich so etwas melodramatisches tun muss wie sterben oder vor tausenden von Zuschauern behaupten, dass ich ein Betrüger bin."

Den letzten Satz sagte er mit dem Anflug eines Lächelns in der Stimme, was seinen Worten die Schärfe nahm. Ich war dankbar dafür, denn die Erinnerung an Blairs Beinahe-Tod vor ein paar Monaten, als Alex Barnes, ein anderer Sentinel, ihn fast umgebracht hatte, rief noch immer Schuldgefühle in mir hervor.
Damals war es ähnlich gewesen. Ein Missverständnis zwischen uns, ich hatte, anstatt ihm zuzuhören, mich abgeschottet, ihm schlechte Absichten unterstellt und fast unsere Freundschaft beendet.

Ich seufzte. "Es ist vieles passiert, was ich gerne ungeschehen machen würde. Ich habe einiges gesagt und getan, was mir jetzt sehr leid tut."

Blair lächelte strahlend. In der momentanen Situation ein unerwartetes Geschenk.
"Die dritte Entschuldigung innerhalb von zehn Minuten. Dein persönlicher Rekord, würde ich sagen. Außerdem, Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung. Darauf können wir aufbauen, Mann."

Er klopfte mir kurz auf die Schulter und sagte. "Tut mir echt leid, aber ich muss jetzt gehen. Charlie wartet nicht ewig. Wir reden morgen weiter, okay. Es kann spät werden bis ich nach hause komme, er will noch ein Bier mit mir trinken gehen und fährt mich dann heim."
Er verzog das Gesicht. "Wahrscheinlich ist er nur neugierig und will hinter die finstere Wahrheit meiner Dissertation kommen. Er hat mir diese Betrugs-Geschichte nicht abgenommen, glaube ich. Aber keine Angst, ich schweige wie ein Grab."

Ich lächelte. "Das kann ich mir im allgemeinen nur schwer vorstellen, aber in dieser speziellen Sache habe ich keine Zweifel daran."
Blair erwiderte das Lächeln. "Hoffentlich! Also, bis dann."
Er stieg aus dem Auto und schloss die Türe.
Ich sah ihm nach bis er das Universitätsgebäude betreten hatte.
Dann startete ich den Motor und fuhr nach hause.

Das Gespräch mit Blair hatte mir einiges klar gemacht. Ich konnte ihm vertrauen. Egal worum es ging. Hundertprozentig. Seine Freundschaft war eine der wenigen Sicherheiten in meinem Leben.
Aber er zweifelte daran, dass ich so dachte.
Und er bezweifelte, dass mir unsere Freundschaft ebenso viel bedeutete wie ihm.
Also musste ich ihm beweisen, dass es so war. Ich musste ihm das Gefühl der Sicherheit wiedergeben, das ich ihm durch mein Verhalten genommen hatte.
Und ich musste es auf die Sandburg`sche Art tun, die so gar nicht meiner entsprach.
Mit Worten.

Es war etwa 1.00 Uhr, als Blair nach hause kam, eingehüllt in eine Wolke aus kaltem Zigarettenrauch, schalem Bier und anderen Kneipengerüchen. Er warf seinen Schlüssel in den Korb neben der Türe und betrat das Loft.
"Hey, Jim." Er klang müde. "Du bist ja noch wach."
Ich gähnte, stand von der Couch auf und schaltete den Fernseher aus. "Bin wohl beim Fernsehschauen eingeschlafen."
Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Ich hatte auf ihn gewartet und wollte noch nicht ins Bett gehen. Ich schlenderte zum Küchenblock, goss mir ein Glas Wasser ein und beobachtete Blair, wie er sich aus seiner Jacke schälte und sie dann angewidert betrachtete.
"Oh Mann, das ist nicht zu glauben!"
"Was ist denn?"
"Charles hat mich in eine dieser irischen Pubs geschleppt, er steht da drauf. Das Guiness war ganz okay. Allerdings hätte ich es lieber getrunken, als es über den Kopf zu kriegen."
"Oh! Klingt so, als wärst du dort einer deiner Ex-Freundinnen begegnet." neckte ich ihn.
"Ach was. So ein Typ hat sich an mir vorbeigedrängt und dabei die Hälfte von seinem Bier auf meinen Haaren verteilt. Dass die Leute nicht besser aufpassen können, ich kapier das nicht, Mann. Er hat sich noch nicht mal entschuldigt. Ich muss auf jeden Fall noch duschen und diesen Gestank loswerden."
"Gute Idee. Wie war`s sonst?"
Er winkte ab und ging in sein Zimmer. "Morgen, okay. Bin jetzt völlig erledigt. Nur noch unter die Dusche und dann..."
Er unterbrach sich. Ich hörte das leise Rascheln von Papier.
Er hatte meinen Brief gefunden, den ich ihm auf`s Kopfkissen gelegt hatte. Ich sah nicht, was Blair gerade tat, war aber sicher, dass er ihn las.
Ich las in Gedanken mit.

Blair,

das wird keine weitere Entschuldigung.
Es gibt ein paar Dinge, die Du wissen musst, die ich Dir schon längst hätte sagen sollen. Erstens, Du bist mein bester Freund.
Und ich vertraue Dir. Als mein Guide, mein Partner und mein Freund.
Ich weiß, dass Du mich niemals im Stich lassen wirst, in keiner Hinsicht. Du hast es wirklich oft genug bewiesen.
Zweitens, Du musst nicht befürchten, jemals wieder nach hause zu kommen und Deine Sachen gepackt zu finden. Ich möchte nicht, dass Du gehst. Nicht aus dieser Wohnung und auch nicht aus meinem Leben. Und ich wollte das auch nie wirklich.
Warum ich mich trotzdem manchmal so verhalte...wahrscheinlich bin ich tatsächlich eine Art Höhlenmensch. Finde es heraus!
Also, mein Neo-Hippie-Hexendoktor-Punk, wie Du siehst, Dein Forschungsgebiet existiert noch!
Drittens, ich werde mir Mühe geben, ein ebenso guter Freund zu sein, wie Du es bist.

Danke für Alles,

Jim

Ich hörte, wie er das Papier wieder zusammen faltete.
Ich wartete.
Nach ein paar Sekunden erschien er in der Tür, den Zettel in der Hand. Er sah mich über die Distanz des Raumes hinweg an, ohne etwas zu sagen.
Sein Gesichtsausdruck war schwer zu bestimmen.
Er hatte Tränen in den Augen, das konnte ich trotz des schwachen Lichts und der Entfernung zwischen uns deutlich sehen, auch ohne Sentinel - Sinne.
Er schüttelte ungläubig den Kopf.
Ich hob fragend die Augenbrauen.

Er räusperte sich, fuhr sich mir der Hand über die Augen und sagte dann, auf das Blatt deutend:
"Das ist so absolut Un-Ellisonmäßig, dass ich einfach nicht weiß, was ich sagen soll."
Er hatte seine Stimme nicht ganz unter Kontrolle. Das Zittern war deutlich zu bemerken.
Ich lächelte und verschränkte die Arme. "Dann war es anscheinend genau richtig."
"Ja! Ja, Mann. Ich meine, du hast es nicht nur gesagt, du hast es aufgeschrieben. Das ist verdammt...rührend. Das ist was Bleibendes, Beständiges. Wie ein Versprechen."
"Das war der Gedanke."
"Ja." Er lächelte jetzt. "Danke, Mann. Das ist...ich weiß nicht... mehr als ich erwartet hätte...danke!"
"Nichts zu danken."
Sein Lächeln vertiefte sich. "Müsste ich jetzt nicht eigentlich irgendwas pathetisches sagen oder tun?"
"Wie wär`s mit duschen? Das reicht schon. Und ich bitte außerdem darum!"
Er roch an den Haarsträhnen, die ihm ins Gesicht fielen und schnitt eine Grimasse. "Total profan, aber du hast Recht." Er rührte sich jedoch nicht von der Stelle, sondern betrachtete mich mit schief gelegtem Kopf, ein amüsiertes Lächeln auf den Lippen.

Ich seufzte. "Was ist, Häuptling?"
Er hob kurz die Hand in der er den Zettel hielt.
"Nichts besonderes. Ich überlege nur gerade wo ich überall Kopien hiervon hinhängen sollte. Eine an den Kühlschrank, falls ich mal wieder was vergesse, das dann vor sich hin schimmelt, auf jeden Fall ins Bad eine, oder besser noch zwei, nur so zur Sicherheit. Du weißt ja in welchem Zustand ich das Bad oft hinterlasse. Und eine an meine Zimmertür, selbstverständlich von außen. Nur als kleine Erinnerung, für den Fall, dass dich doch irgendwann noch der Wunsch überkommt mich raus zu werfen."
Ich lachte. "Versuch`s und ich tapeziere die Wohnung mit meinen Hausregeln. Und bestehe darauf, dass sie eingehalten werden. Du gehst dann freiwillig."
Er lachte ebenfalls. "Nie! Das tragen wir aus, Mann! Ich frage mich nur, was Simon sagen wird, wenn er uns besuchen kommt und die neue Deko sieht."
"Nicht viel. Aber wir haben dann erst mal sehr lange Urlaub, denke ich."
"Cool!"
"Unbezahlt! Unter medizinischer Aufsicht."
"Oh, okay."
Wir sahen uns in die Augen und lächelten beide. Ich denke, ich wusste was in ihm vorging. Etwa dasselbe wie in mir. Zu viele Gefühle auf einmal. Echte Gefühle. Dieses freundschaftliche Geplänkel war eine Möglichkeit damit umzugehen.

Er gähnte und rieb sich die Augen. "Was wollte ich jetzt?"
"Duschen!"
"Oh, na klar!"
Er ging kurz in sein Zimmer und kam mit frischen Sachen im Arm wieder heraus.
"Und, Jim, diese Höhlenmensch- Reaktion. Darüber möchte ich noch reden."
"Aber nicht mehr heute, okay."
"Okay." Er verschwand im Bad, steckte noch mal kurz den Kopf zur Tür heraus und bemerkte lächelnd: "Weißt du was, heute war ein absolut guter Tag."
"Trotz Bier in den Haaren und einer ruinierten Jacke?"
"Ja! So was ist absolut nebensächlich. Solange die wirklich wichtigen Dinge okay sind..." Sein Kopf verschwand wieder und ich hörte ihn leise vor sich hin pfeifen. Nach ein paar Sekunden ging die Dusche an.
Ich trank mein Wasser aus und lächelte zufrieden. Selbst wenn Sandburg das Badezimmer jetzt in einen Swimming-Pool verwandeln würde, es wäre mir egal.
Das war nebensächlich.
Und das, was wirklich wichtig war, das war jetzt in Ordnung.
Ich fühlte mich so leicht und frei wie schon lange nicht mehr. Als hätte ich die ganze Zeit eine Zentnerlast mit mir herumgeschleppt, die jetzt verschwunden war.

Es war wirklich alles wieder gut.

- ENDE -

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