Herzlichen Dank an Sinaida für das schnelle und äußerst hilfreiche Beta, ohne sie wären ein paar recht peinliche Fehler drin. Alles, was jetzt immer noch nicht richtig *stimmt* oder schlicht falsch ist, geht auf meine Kappe und ich wäre dankbar für entsprechende Hinweise.
:)


Bewaffnet

von Pat


Der Morgen war so frisch und neu wie Sandburgs glänzende Dienstmarke. Die Echte, nicht das nachgemachte Teil, dass ihm Jim sechs Monate zuvor im Büro von Major Crimes zugeworfen hatte.

Willst du mein Partner werden, in guten wie in schlechten Zeiten, durch Festnahmen und Formfehler, bis dass die Rente uns scheidet?

Blair kicherte amüsiert bei dem Gedanken an die falsche Plastikmarke als PD-Äquivalent eines Heiratsantrags. Nicht dass Jim die Worte jemals so geäußert hätte, aber die Parallelen in der Bedeutung waren unbestreitbar.

Jim, die Hände am Lenkrad, warf ihm ein kurzes Grinsen zu. "Was?"

"Oh, nichts, nichts." Sandburg winkte ab und schüttelte den Kopf. "Mir geht's gut, das ist alles."

Jims Grinsen wandelte sich zu einem ehrlichen Lächeln während er sich wieder auf den Verkehr konzentrierte. "Freut mich zu hören. Nervös?"

"Nervös? Hey, Mann, das ist so total Routine", bestritt sein frischgebackener Partner. "Ich fahr ja nicht zum ersten Mal mit dir raus." Blairs Knie wippte rastlos. Er wandte den Kopf und sah aus dem Seitenfenster.

Weswegen ihm Jims hochgezogene Augenbrauen entgingen.

"Aber das aller erste Mal als ausgewachsener Detective." Ellison bog in die Seitenstraße ab, in der ihr potentieller Zeuge wohnte. Der Wagen glitt langsam an den Häusern vorbei während Jim die Hausnummern absuchte.

Weswegen ihm Sandburgs ebenso unbewusstes wie unbehagliches Tasten nach seiner brandneuen 9mm Glock Vollautomatik entging.

"Ah, Nummer 10. Wir sind da." Jim deutete auf die heruntergekommene Fassade eines Mehrfamilienhauses, eines der schäbigsten in dieser ohnehin schäbigen Nachbarschaft. Auf der Treppe davor flegelten sich ein paar rauchende Jugendliche, die um diese Uhrzeit eigentlich in die Schule gehörten.

Blair beugte sich vor um durch Jims Seitenfenster sehen zu können. Tief heruntergezogene Mützen und Kapuzen erschwerten ihm die Identifizierung. "Welcher ist es?"

Ein kurzer, fokussierter Blick zeigte Jim, dass ein paar der Kids "alte Bekannte" waren, unter ihnen Morgan Fisher. Er stellte den Motor ab. "Rechts außen, der im roten Parka."

"Okay." Sandburg nickte knapp. "Gehen wir." Mit einem entschiedenen Griff öffnete er die Beifahrertür.

"Sandburg."

"Hm?" Blair blickte über die Schulter.

"Denk dran, du hast eine Waffe."

Sandburg, du wartest hier.

Offenbar hatte Jim einen passenden Ersatz für die nunmehr zwecklose Order gefunden.

Sandburg rollte kurz die Augen. "Ich denk' dran, Jim." Meine Güte, sie wollten dem Jungen nur ein paar Fragen stellen, von einer Festnahme war überhaupt nicht die Rede. Er stieg aus und schloss die Tür. "Kommst du jetzt?"

Ellison rückte die Baseballkappe zurecht und murmelte etwas Unverständliches.




"Scheiße! Die Bullen!"

Sie hatten die Straße noch nicht halb überquert als sich schon zwei der sechs Jugendlichen aus dem Staub machten, ganz offensichtlich Dreck am Stecken. Der Rest hatte entweder ein derzeit halbwegs reines Gewissen oder fühlte sich vier zu zwei überlegen. Jedenfalls blieben sie stehen, als Jim und Blair näher kamen.

"Officer." Fisher schenkte Ellison ein spöttisch herausforderndes Grinsen aber sein Blick pendelte nervös zwischen Jim und Blair.

Seine Kumpane rückten etwas auf.

Jim musterte die Mannschaft stumm, einen nach dem anderen, Sandburg einen halben Schritt schräg hinter ihm.

"Price, Moning, Sariani - abhauen", kommandierte Ellison mit einer knappen Kopfbewegung.

Die drei zögerten, tauschten wortlose Blicke.

Sandburgs Waffe drückte plötzlich ungewohnt gegen seine Rippen.

Das Schulterhalfter war wohl doch nicht die beste Wahl.

Jims Augenbrauen schossen in die Höhe. "Wird's bald?"

Sariani, offenbar der Älteste und damit Wortführer, hob beschwichtigend die Hände. "Schon gut. Schon gut." Er wandte Ellison den Rücken zu und drehte sich langsam um, patschte, nein, drückte eine Hand gegen Fishers Magen. "Wir seh'n uns später, Kumpel."

Fisher, die Hände in den Taschen, zog lediglich den offenen Parka zusammen und nickte. "Klar. Bis dann." Er sah seinen Kumpanen nach. Sie schlenderten davon, schnell genug um Jims Anweisung nachzukommen, langsam genug um zu demonstrieren, dass sie keinesfalls eingeschüchtert waren.

Blairs Schultern entspannten sich unmerklich.

Runde eins geht an uns.

"So, Morgan", zog Jim Fishers Aufmerksamkeit auf sich "Jeffersons Jewelry, sagt dir das was?"

Morgan schenkte ihm einen gelangweilten Blick. "Klar, Mann. Den Laden kennt jeder. Was ist damit?" Er grub die Hände tiefer in die Taschen, bewegte sie unruhig gegen seinen Bauch.

"Mister Jefferson vermisst ein paar wertvolle Stücke", erläuterte Jim mit einem Blick zum Himmel, als wolle er das Wetter prüfen. "Allerdings hat niemand eingebrochen", ergänzte er beiläufig.

"Hey Mann, ich hab keine Ahnung wovon Sie reden. Vielleicht hat er die Klunker verlegt?" Fishers Blick wanderte von Jim zu Blair und zurück. "Seh' ich vielleicht aus als käm' ich bei Jefferson's auch nur über die Schwelle?"

"Nur die Ruhe, Morgan." Jim zog ein kleines Foto aus der Manteltasche. "Erkennst du jemanden auf diesem Bild?"

Der Junge zog eine Hand aus der Jackentasche und griff nach dem Foto. Sein Parka öffnete sich leicht.

Sandburg erhaschte einen Blick auf Morgans Hosenbund.

Oh Scheiße!

Fisher warf sich herum und flüchtete.




"Da lang!" keuchte Jim. Er wies in eine enge Seitengasse. "Schneid' ihm den Weg ab. Ich verfolge ihn weiter."

"Jim, er ist bewaffnet!"

"Ich weiß. Sei vorsichtig!"

Blair rannte los.

Seine Füße trommelten auf den Boden, vorbei an Hauseingängen, vernagelten Fenstern, Müllcontainern. Das Halfter mit der Glock klatschte rhythmisch an seine Seite.

Mist! Mist! Mist!

Er hatte den Griff von Morgans Revolver nur kurz gesehen. Schwarz, bedrohlich. Nur eine Sekunde bevor Fisher loslief.

Der Junge war höchstens fünfzehn.

"Denk dran, du hast eine Waffe."

Als könne er das vergessen.

Klatsch. Klatsch. Klatsch.

Das Ende der Gasse war in Sicht. An der Hausecke traf sie wieder auf die achtundzwanzigste Straße.

Die Achtundzwanzigste.

Wo Fußgänger unterwegs waren, Mütter Kinderwägen schoben und sich Kinder rauchend auf Eingangstreppen herumdrückten.

Und schulpflichtige Kids eine Knarre im Hosenbund haben.

Fisher musste von links kommen.

Klatsch. Klatsch. Klatsch.

Die Mülltonnen an der Ecke quollen über und ein paar der Blechdeckel waren zu Boden gefallen. Abfall bedeckte den Asphalt. Blair kam schliddernd zum Stehen, fing sich an der Hauswand ab.

Lieber Gott, lass ihn die Hosen voll haben. Lass ihn vernünftig sein.

Sandburg stieß eine der Tonnen aus dem Weg. Er presste den Rücken gegen die Hauswand. Sein Herz hämmerte. ‚Stehenbleiben' hörte er Jim rufen. Seine Finger glitten unter die Jacke und schlossen sich um die Waffe.

Lass ihn aufgeben. Bitte!

Wieder Jims Stimme: ‚Fisher, stehen bleiben.'

...Detective Ellison sucht, soviel ich weiß, nach einem ständigen, offiziellen Partner.

Blair fühlte den Griff der Glock in seiner Handfläche. Rau, schwer.

Tödlich.

Ich kann nicht!

... Frieden und Sicherheit herzustellen durch sensible, fürsorgliche und kreative Polizeiarbeit.

... dir treu sein und dich beschützen ...

Fünfzehn!

Bewaffnet.

Blair zog seine Waffe.




Fisher verschwand um die Ecke ehe Jim ihn einholen konnte.

Es schepperte blechern. Kurz. Heftig.

Ein Grunzen.

Stille.

Die Waffe im Anschlag wirbelte Jim um die Ecke. "Hände ho..."

Langsam nahm er die Pistole herunter. "Sandburg." Ein überraschtes Grinsen breitete sich über sein Gesicht.

Blair ließ den schweren Mülltonnendeckel sinken, an der Innenseite klebte etwas Blut. In der Linken hielt er Fishers Revolver. Auf seinem Gesicht lag ein grimmiges, zufriedenes Lächeln.

Morgan wälzte sich am Boden, völlig benommen, und hielt seine blutende Nase. Er stöhnte leise.

Mit einer routinierten Bewegung steckte Jim seine Waffe weg und griff nach den Handschellen. Zehn Sekunden später zerrte er den gefesselten Teenager auf die Füße.

"Saubere Arbeit, Chief." Er lehnte Fisher gegen die Wand und musterte seinen Partner nachdenklich.

Blair breitete die Hände aus. "Was?"

Jim schmunzelte. "Denk dran, du hast eine Waffe."

"Ich weiß, Jim. Ich weiß." Blair grinste. "Lies ihm seine Rechte vor."

Ende


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